Mit einer Stimme zum Finanzgipfel

Berlin. Neun Teilnehmer, sieben Sprachen und ein Ziel: Europa soll in der Finanzkrise mit einer Stimme sprechen. Angela Merkel gelang gestern im Kanzleramt dieses Kunststück

Berlin. Neun Teilnehmer, sieben Sprachen und ein Ziel: Europa soll in der Finanzkrise mit einer Stimme sprechen. Angela Merkel gelang gestern im Kanzleramt dieses Kunststück. Die Staatschefs der großen europäischen Länder wollen beim G20-Gipfel Anfang April in London, zu dem dann auch die Vertreter der USA, Kanadas und der großen Schwellenländer wie China und Indien anreisen, geschlossen mit der Forderung auftreten, die Finanzmärkte weltweit an die Leine zu legen. Fürchten müssen sich gierige Banker und einige Steueroasen wie zum Beispiel Liechtenstein. Eigentlich war schon zehn Minuten nach Beginn der Pressekonferenz alles gesagt - aber nicht von allen. Und so sahen sich Größen wie Frankreichs Nicolas Sarkozy, Großbritanniens Gordon Brown oder Spaniens José Zapatero ermuntert, jeweils mit unterschiedlichen Akzenten zu wiederholen, was Angela Merkel von dem vierstündigen Treffen berichtet hatte. Man wolle in London erreichen, dass alle Finanzmärkte und -produkte künftig einer internationalen Aufsicht unterliegen, auch die Hedgefonds, sagte die Kanzlerin. Man wolle "mit wirksamen Sanktionen" gegen Steueroasen vorgehen und die Namen "derjenigen, die sich einer Kooperation verweigern" auflisten. Man wolle, dass die Banken in guten Zeiten einen größeren Eigenkapitalpuffer aufbauen. Und man plane eine "Charta für nachhaltiges Wirtschaften", eine Art Welt-Kodex für Unternehmer. Inklusive der Einschränkung von Bonuszahlungen. Trotzdem war es gut, dass jeder der Staatschefs das noch einmal selbst sagte. So wurde die Dimension des Geschehens deutlich. Denn eine solche Einigkeit wäre vor wenigen Jahren undenkbar gewesen, wie EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hervorhob. Die Briten etwa hatten sich beim G8-Gipfel in Heiligendamm der Kontrolle der Finanzmärkte noch versagt. Sarkozy nannte London "die letzte Chance", um die Krise in den Griff zu bekommen. "Wenn wir scheitern, gibt es keinen Weg zurück". Einzig Silvio Berlusconi fiel etwas aus dem Rahmen der gebotenen Ernsthaftigkeit, weil er gar nicht auf die Beschlüsse einging, sondern nur meinte, dass Italien "nicht solche Probleme hat, wie sie die Kollegen geschildert haben". Wären da nicht 200 Journalisten und 50 Kameras vor ihnen gewesen, Merkel und die anderen hätten sich wohl auf die Schenkel geklopft. So grinsten sie nur heftig. Italiens Verschuldung ist die höchste unter den großen EU-Staaten und wächst rasant. Der deutsch-französische Streit um Sarkozys Hilfen für die französische Autoindustrie wurde umschifft. Man sei sich einig, bei der akuten Krisenbewältigung sicherzustellen, dass der Wettbewerb "in geringstmöglicher Weise" verzerrt werde, sagte Merkel dazu nur. Das Problem seien eher die USA, mit denen man aber im Gespräch sei. Sarkozy nickte zufrieden. Einig war man sich auch, dass der Protektionismus in der Krise nicht Einzug halten dürfe. Freier und fairer Welthandel sei das Gebot der Stunde. Auch die Forderung von einem Dutzend Greenpeace-Demonstranten, die draußen in gebührendem Abstand zum Kanzleramt einen "Green Deal", einen grünen Zukunftsplan, forderten, nahm die Runde auf. Das gehöre zu den Weichenstellungen, vor denen man jetzt stehe, sagte etwa der niederländische Premier Jan Peter Balkenende. Die ganze Veranstaltung wirkte wie ein Treffen von Kerneuropa. Die Atmosphäre war kollegial und locker. Die deutsche Seite war mit dem Ergebnis zufrieden, die Gäste, die jeweils mit großen Journalistenpulks angereist waren, auch. Die Demonstranten rollten ihr Transparent wieder zusammen. "Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet" stand darauf. Aber das hatten sie da drinnen im Kanzleramt ja den halben Sonntag lang versucht.

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