Mit dem Kreuz zur Arbeit

Religiöse Symbole am Arbeitsplatz sind grundsätzlich erlaubt. Ob christliches Kreuz, muslimisches Kopftuch oder Davidsstern - sie alle dürfen auch im Job sichtbar getragen werden, so lange der dadurch nicht gefährdet wird. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg in mehreren Urteilen gestern entschieden

Religiöse Symbole am Arbeitsplatz sind grundsätzlich erlaubt. Ob christliches Kreuz, muslimisches Kopftuch oder Davidsstern - sie alle dürfen auch im Job sichtbar getragen werden, so lange der dadurch nicht gefährdet wird. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg in mehreren Urteilen gestern entschieden.

Dabei gaben die Richter zunächst der 61-jährigen Britin Nadia Eweida Recht. Sie war beim Bodenpersonal von British Airways am Check-in-Schalter tätig, als ihr Arbeitgeber Ende 2006 das Tragen religiöser Symbole untersagte. Die Frau - Mitglied einer Pfingstkirche - wollte sich aber nicht verbieten lassen, ein goldenes Kreuz an einer Halskette über der Kleidung zu zeigen. Die Affäre schlug damals hohe Wellen in den Medien.

Die Anordnung des Unternehmens sei ein Verstoß gegen die in der Menschenrechts-Charta verbriefte Religionsfreiheit gewesen, urteilte der EGMR gestern. Das Gericht wacht über die Einhaltung der Konvention im Auftrag des Europarates, es ist keine Instanz der EU. Doch die Richter zogen auch Grenzen. Denn diese Freiheit könne durchaus eingeschränkt werden, wenn es der Beruf erfordere.

Deshalb wurde die Klage der britischen Krankenschwester Shirley Chaplin abgewiesen. Ihr hatte der Krankenhaus-Betreiber das offene Tragen einer Kette mit dem Kreuzsymbol untersagt, weil Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften dagegen sprächen. Als sich die Frau weigerte, ihren religiösen Schmuck, den sie übrigens 30 Jahre lang getragen hatte, unter der Kleidung zu verdecken, wurde sie nur noch als Schreibkraft eingesetzt.

"Es war eine Frage des Glaubens oder meiner Arbeit - ich habe mich für den Glauben entschieden", betonte Chaplin gestern in Straßburg. Sie verließ die Klinik vor zwei Jahren, ging in Vorruhestand. Und forderte David Cameron auf, die Gesetze in Großbritannien zu ändern. Londons Premier zeigte sich erfreut über die Entscheidungen der Richter. Wohl auch, weil seine Landsleute stets gereizt auf Kritik aus Straßburg reagieren. Im Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er: "Es ist gut, dass der Grundsatz, bei der Arbeit religiöse Symbole tragen zu dürfen, aufrechterhalten wurde."

Auch bei der Angestellten der Fluggesellschaft in London kam das EGMR-Urteil gut an: "Ich bin sehr glücklich und froh darüber, dass die christlichen Rechte in Großbritannien und Europa verteidigt worden sind."

Doch die Entscheidungen der Kammer sind nicht unumstritten. "Die Menschenrechtskonvention gibt Angestellten nicht das Recht, auf eine Änderung ihrer Arbeitsbedingungen zu beharren, damit diese ihrer Religion oder ihrem Glauben entsprechen", betonte der Anwalt der britischen Regierung, James Eadle, nach dem Urteilsspruch. Vor allem sei es völlig falsch zu glauben, jeder habe einen Anspruch darauf, während der Arbeit ohne Einschränkungen seine religiösen Überzeugungen ausleben zu können. Dies einzuschränken, so der britische Regierungsvertreter, habe nichts mit Diskriminierung zu tun.

Das bekamen zwei weitere Kläger aus Großbritannien zu spüren, deren Beschwerden der Gerichtshof abwies. Im einen Fall hatte sich eine Standesbeamtin geweigert, gleichgeschlechtliche Paare zu trauen. Sie musste deshalb ihren Beruf aufgeben. Im anderen Fall lehnte es ein Sexualtherapeut ab, schwule und lesbische Paare zu behandeln, was der Ausrichtung seiner Beratungsstelle widersprach. Beide könnten sich mit ihren Klagen nicht auf die Religionsfreiheit der Konvention berufen, entschieden die Richter.

"Die christlichen Rechte in Europa sind verteidigt worden."

Klägerin

Nadia Eweida

Meinung

Ein wegweisender Richterspruch

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

Über religiöse Symbole in unserer Gesellschaft wurde schon so viel Unsinn geurteilt, dass man über den Richterspruch aus Straßburg geradezu erleichtert sein kann. Denn wer seinen Glauben durch das sichtbare Tragen eines Zeichens nach außen zeigen möchte, darf dies auch an seinem Arbeitsplatz tun - vorausgesetzt es gibt nicht andere wichtige Vorschriften. Nur haben die Richter jetzt einige EU-Regierungen in Schwierigkeiten gebracht. Denn auch die Burka ist ein Dokument des islamischen Glaubens. Sie wurde in zahlreichen europäischen Ländern aber verboten. Dennoch haben die Richter einen wichtigen Grundsatz gefestigt. Der persönliche Glauben gehört zu jenem Privatbereich, den ein Arbeitgeber nicht ohne sehr gute Gründe einschränken darf. Das ist ein wegweisender Beitrag.

Am Rande

Das Kreuz als religiöses Symbol beschäftigt die Gerichte nicht nur in Arbeits- und Zivilrechtsprozessen. Das zeigt ein Fall aus dem Saarland, der auch deutschlandweit für Aufsehen gesorgt hat und wohl in den kommenden Monaten wieder sorgen wird. Es geht um den Saarländer Gilbert Kallenborn. Er klagt seit über einem Jahrzehnt dafür, dass in Gerichtssälen - also staatlichen Gebäuden - keine Kreuze - also religiöse Zeichen - mehr hängen dürfen. Inzwischen beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und damit die höchste richterliche Instanz der Bundesrepublik mit Kallenborns Klage. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Welt-Nichts-Tag´Am 16. Januar war Welt-Nichts-Tag. Anlass genug, um sich mit dem Nichts einmal genauer zu befassen. Wir haben uns mit einem Physiker, einem Theologen, einem Psychiater und mit SZ-Lesern über Nichts unterhalten; darüber, wie kostbar es ist
Welt-Nichts-Tag´Am 16. Januar war Welt-Nichts-Tag. Anlass genug, um sich mit dem Nichts einmal genauer zu befassen. Wir haben uns mit einem Physiker, einem Theologen, einem Psychiater und mit SZ-Lesern über Nichts unterhalten; darüber, wie kostbar es ist