Mister Nobody kann Präsident werden

Mister Nobody wurde François Fillon lange genannt. Seit Sonntagabend ist der frühere französische Regierungschef kein Niemand mehr, wenn es um die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr geht. Denn der 62-Jährige hat die besten Chancen, am Sonntag die zweite Runde der Vorwahlen der Konservativen zu gewinnen und damit auch der nächste Staatschef zu werden. Mit 44 Prozent ließ der Abgeordnete mit den buschigen Augenbrauen seine Mitbewerber Alain Juppé (28,6 Prozent) und Nicolas Sarkozy (20,6 Prozent) deutlich hinter sich. Dabei galt mehrere Monate lang ein Duell Juppé-Sarkozy als ausgemachte Sache. Doch der "dritte Mann", der im August noch bei zehn Prozent lag, schaffte die Aufholjagd und warf den Ex-Präsidenten aus dem Rennen.

Der bedächtige Fillon verdankt seinen Durchbruch den drei Fernsehdebatten, in denen er stets eine gute Figur machte. Sachlich trug der Vater von fünf Kindern, der mit einer Engländerin verheiratet ist, seine Argumente vor, ohne je aggressiv zu werden. "Seit Monaten gehe ich meinen Weg, ruhig und ernsthaft", verkündete der skandalfreie Politiker nach seinem Sieg. "Fillon verkörpert die ideale Synthese zwischen Juppé und Sarkozy: Er hat die Präsidenten-Fähigkeiten des einen und das radikale Programm des anderen", sagte Jérôme Fourquet vom Meinungsforschungsinstitut IFOP.

Fillons bedächtige Auftritte dürfen aber nicht über seine erzkonservativen Positionen hinwegtäuschen. So will der Kandidat Homosexuellen das Recht auf Adoption nehmen und die Leihmutterschaft nur heterosexuellen Paaren erlauben. Die Bewegung gegen die Homo-Ehe , die vor drei Jahren auf die Straße ging, unterstützt ihn deshalb. Der Provinzmensch Fillon verkörpert im Gegensatz zu dem liberaleren Juppé die traditionellen Werte.

Zum konservativen Gesellschaftsbild kommt bei dem Mann aus der zentralfranzösischen Sarthe eine liberale Wirtschaftspolitik, die ihm schon den Beinamen "Thatcher Frankreichs" einbrachte. Der Kandidat will die 35-Stunden-Woche abschaffen, das Rentenalter heraufsetzen, 500 000 Beamtenstellen streichen und 100 Milliarden Euro einsparen, um das Defizit zu verringern. "Alle Länder um uns herum, in denen Wachstum und Beschäftigung wieder ansprangen, haben dazu den Hebel der Freiheit benutzt", sagte Fillon.

In seiner einstündigen Rede im Pariser Palais des Congrès sprach Fillon viel von der Autorität, die er nach den fünf Jahren sozialistischer Regierung wiederherstellen will. "Null Straffreiheit muss die Regel sein", forderte der Kandidat, der 16 000 neue Gefängnisplätze schaffen will. Gegen die Terrororganisation Islamischer Staat setzt er auf ein Bündnis mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Einen harten Kurs fährt Fillon auch in der Einwanderungspolitik. "Man muss die Einwanderung auf das strikte Minimum verringern, indem man Quoten je nach unseren wirtschaftlichen Bedürfnissen und unserer Integrationsfähigkeit festlegt."

Wenn Fillon die Stichwahl am Sonntag gegen Juppé gewinnt, dann zeichnet sich im nächsten Jahr ein Zweikampf Fillons gegen Marine Le Pen ab. Für die Chefin des Front National wäre Fillon der denkbar schlechteste Gegner, denn seine Positionen liegen oft nahe an denen des FN. "Fillon ist das schwierigste Szenario für Marine", räumte ein FN-Vertreter unumwunden ein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort