Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer erhält als erste Saarländerin den Orden „Wider den tierischen Ernst“

Aachen · Am Samstag wurde Annegret Kramp-Karrenbauer zur Ritterin des Aachener Karnevalsvereins gekürt. Dabei wurde selbst die Fastnachts-erfahrene Ministerpräsidentin ein wenig nervös.

 Aus den Karnevalshochburgen Mainz, Düsseldorf und Saarbrücken: Die rheinland-pfälzische Oppositionsführerin Julia Klöckner (CDU), der Aufsichtsratsvorsitzende der Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH, Karl Hans Arnold und die Ordensträgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (von links)

Aus den Karnevalshochburgen Mainz, Düsseldorf und Saarbrücken: Die rheinland-pfälzische Oppositionsführerin Julia Klöckner (CDU), der Aufsichtsratsvorsitzende der Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH, Karl Hans Arnold und die Ordensträgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (von links)

Foto: Michael Bröcker / RP

Annegret Kramp-Karrenbauer nimmt einen tiefen Schluck aus dem Wasserglas. Ein letztes Interview auf dem roten Teppich noch, das dritte in Folge. Für einen kurzen Augenblick erlaubt sie sich einen sehnsüchtig erschöpften Blick zu ihrem Ehemann. Helmut Karrenbauer steht ein wenig im Hintergrund und lächelt mitleidig. Seit 14 Stunden sind die beiden auf den Beinen. Sind von Empfang zu Empfang, von Ehrung zu Ehrung geeilt. Schon vorher hatte man im Umfeld der Ministerpräsidentin gewitzelt, ein Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck sei mit weniger Aufwand verbunden als diese Verleihung des Ordens "Wider den tierischen Ernst" in Aachen .

Dann ist Kramp-Karrenbauer wieder ganz Profi, beantwortet Fragen der Journalisten, was denn der Orden für sie bedeute. Wie ihr die Sitzung gefallen habe, wie ihr Aachen als Stadt gefalle. Sehr viel. Grandios. Und wunderschön. Sie lächelt.

Erst hinter den Kulissen fällt die Anspannung ein wenig von ihr ab. Auch wenn da noch immer zahllose Hände warten, die geschüttelt werden wollen, die Glückwünsche überbringen. Für den Orden, vor allem aber für ihre viertelstündige Antrittsrede. Dabei hatte sie sich schwer getan damit. Ausgerechnet sie, gestählt von zahllosen Büttenreden in saarländischen Hallen, seit Jahren als Landtagsputzfrau Gretel im Karneval unterwegs, hatte Sorgen wegen ihrer Rede. Selbst die Bühne in Aachen kennt sie, hatte 2013 als saarländische Sterneköchin dort gestanden, ihr inoffizielles Bewerbungsschreiben um den Orden, wie mancher sagt.

Doch diesmal wollte sie keine Rolle annehmen, auch wenn ihr das anfangs schwer fiel. "Wir hatten überlegt, ob ich wieder in die Rolle der Landtagsputzfrau schlüpfen soll. Aber die funktioniert nur im Saarland und auf Platt. Es war eine Umstellung, diesmal musste ich ich selbst sein. Deshalb war der Stresslevel diesmal etwas höher." Ohne Grund. Die Rede gehörte bei weitem zum Unterhaltsamsten des Abends. Weil Kramp-Karrenbauer es auch ohne ihre Rolle der Putzfrau beherrscht, Distanz zu sich selbst zu wahren. So wie sie gegen politische Gegner und Freunde austeilt, so kann sie auch gegen sich selbst austeilen und einstecken, sie die "Quotenfrau", die "Zungenbrecherin auf zwei Beinen", die "schwarzlackierte Sozialistin".

Kramp-Karrenbauer kann Karneval , aber vor allem mag sie die fünfte Jahreszeit tatsächlich. Karneval ist für die meisten Politiker lästige Pflicht. So zeigt man Volksnähe und dass man über sich selbst lachen kann. Das kommt an beim Wähler. Aber für Kramp-Karrenbauer ist es mehr. "Es ist dieses Schlüpfen in eine andere Rolle. Jemand ganz anderes zu sein. Den Oberen ungestraft auf die Füße zu treten." Sie muss schmunzeln. Mittlerweile ist sie ja selbst eine dieser "Oberen".

"Herzlichen Glückwunsch." Auch Friedrich Merz , Ex-CDU-Fraktionschef, macht seine Aufwartung, d eutet eine Verbeugung an. Karneval in Aachen ist zu allererst ein gesellschaftliches Ereignis. Mit volkstümlichen Brauchtum, dem Aufbrechen von Standesschranken und Bierseligkeit hat das hier wenig zu tun. Die Herren im schwarzen Anzug, die Damen tragen Schmuck und Pelz spazieren. Man bleibt unter sich, bei Kartenpreisen bis zu 1111 Euro.

Nicht dass die Aachener ihren Karneval nicht lieben würden. In den Zeitungen reiht sich Sonderseite an Sonderseite, und schon vormittags beim "Bad in der Menge" stehen Hunderte im Schwefeldunst des Elisenbrunnens, der Aachener Heilquellen, warten auf die Ehrengäste und die neuen Ritter. Es wird gejubelt, geschunkelt, gesungen - und trotzdem bleibt die Bevölkerung nur Zaungast.

Kaum ein anderer Orden ist so begehrt, aber kaum ein anderer Orden ist so elitär. Konrad Adenauer, Franz Josef Strauß oder Helmut Schmidt , die Liste der Ordensritter ist lang, illuster - und beinahe ausnahmslos männlich. Kramp-Karrenbauer ist die erste Saarländerin und die fünfte Frau überhaupt. Noch 1988, als mit Gertrud Höhler die erste Frau ausgezeichnet wurde, galt das manch ehrwürdigem Karnevalisten als Verfall der Sitten. Bis heute ist es Frauen per Satzung untersagt, Mitglied im Aachener Karnevalsverein (AKV) zu werden. Kramp-Karrenbauer kann sich dann auch einen Seitenhieb nicht verkneifen. "Die Frauenquote liegt nur knapp vor dem Exekutivkomitee der Fifa. Bei fünf aus 66 wird man eher Lottomillionär als Ritterin in Aachen ."

Kramp-Karrenbauer gefällt sich in der Rolle der Kämpferin für Quoten, auch wenn sie weiß, dass sie damit nicht alle in der Partei und wohl auch im Aachener Publikum hinter sich hat. Sie hat Erfahrung darin, Geschlechtergrenzen aufzubrechen. Im Februar nimmt sie nach Kanzlerin Angela Merkel als erste Frau an der Schaffermahlzeit der Bremer Kaufleute teil. "Und wenn wir das in Bremen hinbekommen, klappt das bestimmt auch in Aachen ." Die neue Ritterin hat eine Aufgabe.

Die Ordensverleihung wird heute Abend um 21.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

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HintergrundDer Orden "Wider den tierischen Ernst" wird seit 1950 jährlich an "prominente Persönlichkeiten mit Humor und Menschlichkeit" verliehen. Gekürt wurden in den vergangenen Jahren unter anderen Edmund Stoiber , Guido Westerwelle , Kardinal Karl Lehmann , Fürstin Gloria von Thurn und Taxis und die Schauspieler Mario Adorf und Ottfried Fischer . Kramp-Karrenbauer erhielt den 66. Orden und ist die fünfte Frau in der Ritterrunde. red

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