Minister im Sinkflug

Berlin · Im Skandal um den „Euro Hawk“ kommen immer neue Details ans Licht. Verteidigungsminister Thomas de Maizière macht dabei keine gute Figur. Möglicherweise wusste er schon lange von Problemen.

Wegen des Desasters um das Rüstungsprojekt "Euro Hawk" gerät Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in immer größere Probleme. Es häufen sich die Hinweise, dass er schon länger von den Schwierigkeiten um die Aufklärungsdrohne wusste, das Projekt aber dennoch erst jetzt stoppte. Zudem fühlt sich der Bundesrechnungshof durch den Minister behindert.

Letzte Woche noch hatte de Maizière eine Vorwärtsstrategie versucht. "Wenn Probleme bei neuartigen Modellen auftauchen, wie bei diesem Fall, so wird erst daran gearbeitet, sie zu lösen. Wenn wir dann sehen, dass Kosten aus dem Ruder zu laufen drohen, dann ziehen wir die Reißleine." So schilderte er sein Vorgehen im Bundestag. Doch nun wurden Fakten bekannt, die den Minister weit weniger entschlossen aussehen lassen.

So wollte der Bundesrechnungshof das Projekt seit Ende 2011 prüfen, erhielt aber vom Verteidigungsministerium nicht alle angeforderten Unterlagen. Zudem waren wichtige Passagen geschwärzt, angeblich weil der US-Hersteller auf Geheimhaltung bestand. "Das können wir nicht akzeptieren", erklärte ein Sprecher der Behörde gestern. Er kündigte an, dass der Haushaltsausschuss nun noch vor der Sommerpause einen Bericht erhalten werde. Nach mehreren Zeitungsberichten gab es zudem schon seit dem Sommer 2011 starke Hinweise auf das Problem, für den "Euro Hawk" in Europa eine Zulassung zu bekommen. Die unbemannte, ferngesteuerte Maschine ist fast so groß wie ein Passagierjet. Sie verfügt aber über kein Kollisionsradar und andere Sicherheitssysteme, die für eine Zulassung im zivilen Luftraum erforderlich sind. Das Ministerium hatte als Grund für den Projektstopp angegeben, dass eine Nachrüstung und das Zulassungsverfahren weitere rund 500 Millionen Euro gekostet hätten. "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", hatte de Maizière im Bundestag gesagt. Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gab es jedoch schon bei der Überführung der ersten Testmaschine im Sommer 2011 einen ernsten Zwischenfall, als die Bodenstationen zwei Mal für zehn Minuten den Kontakt zu dem Fluggerät verloren und dieses seinen Kurs änderte. Außerdem schilderte das Blatt, dass es sogar schon 2004 erste Hinweise auf den fehlenden Kollisionsschutz gegeben habe. De Maizière muss sich nun fragen lassen, warum er das Projekt - geplant war die Anschaffung von vier Maschinen für insgesamt 1,2 Milliarden Euro - trotzdem so spät stoppte. Denn es wurden außer den 250 Millionen Euro für die Testmaschine auch über 240 Millionen Euro für die speziell entwickelte Aufklärungselektronik ausgegeben. Wäre die Legislaturperiode nicht schon fast zu Ende, würde man jetzt einen Untersuchungsausschuss einrichten, sagte der SPD-Haushaltspolitiker Hans-Peter Bartels. Nun soll de Maizière am 5. Juni im Ausschuss Rede und Antwort stehen. Der Minister hat dazu eine genaue Chronologie der Abläufe seit der ersten politischen Entscheidung für den "Euro Hawk" durch die rot-grüne Koalition im Jahr 2001 angekündigt. Direkte Rücktrittsforderungen gegen de Maizière gab es gestern nicht, allerdings sagte etwa Bartels, "dass das chaotische Scheitern dieses Projektes nicht ohne Folgen bleiben kann". Die verteidigungspolitische Sprecherin der Liberalen, Elke Hoff, forderte, auch den deutschen Beitrag von 400 Millionen Euro für ein von der Nato geplantes Aufklärungssystem sofort zu stoppen. Es basiert auf den gleichen Drohnen, die hier "Global Hawk" heißen, und hat ebenfalls noch keine Luftraumzulassung.

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HintergrundDrohnen sind mit modernster Elektronik ausgestattete unbemannte Fluggeräte. Das Einsatzspektrum der Mini-Flugzeuge reicht von der Überwachung von Konfliktgebieten über die taktische Aufklärung bis zur Zerstörung von Zielen. Die für die Bundeswehr geplante Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" ist eine vergrößerte Variante "Global Hawk". Durch eine verlängerte Spannweite wurde die Tragfähigkeit auf 1360 Kilogramm erhöht. Die Basisversion kann bis zu 40 Stunden im Einsatz bleiben. dpa

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