Milliardenschwere Hilfsprojekte zerbombt

Brüssel. Für 50 Kinder war das kleine Waisenhaus Al Karameh in Gaza ihr Zuhause. Bis zu jenem Tag im Januar 2009, als israelische Fliegerbomben das Gebäude in Schutt und Asche legten. 1,1 Millionen Euro hatten vor allem spanische und schwedische Geber via Brüssel für das Projekt zusammengebracht, von dem nur noch ein Steinhaufen übrig blieb

Brüssel. Für 50 Kinder war das kleine Waisenhaus Al Karameh in Gaza ihr Zuhause. Bis zu jenem Tag im Januar 2009, als israelische Fliegerbomben das Gebäude in Schutt und Asche legten. 1,1 Millionen Euro hatten vor allem spanische und schwedische Geber via Brüssel für das Projekt zusammengebracht, von dem nur noch ein Steinhaufen übrig blieb. Rund 78 EU-finanzierte Hilfsmaßnahmen im Gaza-Streifen wurden bei Militärschlägen der letzten Jahre zerstört. Der Gesamtschaden belaufe sich auf wenigstens 78 Millionen Euro, heißt es in einem Bericht aus Brüssel. Andere sprechen von Summen, die bis zu zehn Mal höher liegen. Kein Druck aus BrüsselGetroffen wurden aber nicht nur das Waisenhaus Al Karameh und weitere EU-Einrichtungen, sondern als besonders kostspieliges Projekt auch der Internationale Flughafen von Rafah, der mit europäischen, spanischen und vor allem deutschen Geldern errichtet worden war. Wenige Tage vor den für September geplanten Friedensgesprächen zwischen Palästinensern, Israel und den USA werden am Sitz der EU Forderungen laut, die Gemeinschaft solle ihre Zurückhaltung aufgeben und endlich Schadenersatz von Tel Aviv fordern. Doch man ziert sich. "Die EU will keinen Druck machen, um nicht noch mehr Einfluss zu verlieren", sagt Nahost-Experte Udo Steinbach. Andere sehen das anders: Schließlich beackern mächtige Lobbyisten-Organisationen seit 2004 aus eigenen Niederlassungen in Brüssel heraus die Politik der Gemeinschaft. Unter dem "Deckmäntelchen", den Kampf gegen Antisemitismus voranzutreiben, gehe es - so berichten Insider - tatsächlich nur darum, "den lukrativen Zugriff auf EU-Fördertöpfe sicherzustellen", ohne dass Militäroperationen Einschnitte bewirken. Immerhin stellte die Europäische Investitionsbank Israel seit 1981 rund 637 Millionen Euro zur Verfügung, um landwirtschaftliche Produkte innerhalb der Union zu vermarkten.Diplomatischer SchadenZusammen mit weiteren Subventionen und Wirtschaftserleichterungen summieren sich die Zahlungen aus dem EU-Haushalt auf mehrere Milliarden Euro, die Palästinenser erhielten im letzten Jahrzehnt 1,5 Milliarden. "Israel ist, erlauben Sie es mir zu sagen, ein Mitglied der Europäischen Union, ohne Mitglied der Institution zu sein", formulierte es Javier Solana, bis Ende 2009 Chef-Diplomat der Gemeinschaft. Dennoch hat das Land viele Sympathien verspielt, was man in Brüssel tunlichst nur hinter vorgehaltener Hand sagen sollte. Als Anfang 2009 die Tschechen den Vorsitz der Union übernahmen und Prags Außenamtssprecher offen die israelischen Angriffe auf Gaza als "sicherlich nicht defensiv" kritisierte, musste sein damaliger Minister Karel Schwarzenberg eilig versuchen, den diplomatischen Schaden wieder gut zu machen. Wenige Wochen später warf Entwicklungshilfe-Kommissar Louis Michel (Belgien) nach einem Besuch in Gaza den Israelis Verstöße gegen die Menschenrechte vor. Kurz darauf fror die EU alle angesetzten Spitzengespräche ein, weil "wir den Eindruck haben, dass die Regierung uns nicht zuhört und es auch nicht zu Konsequenzen kommt". Damals legten Bomben den Gaza-Streifen in Schutt und Asche.

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