Micky Maus bekommt Besuch aus Saarbrücken
Saarbrücken/Paris. Der ICE beschleunigt auf Tempo 300. Die Landschaft rast vorbei. Man muss sich erst dran gewöhnen, hält instinktiv das Glas fest, um nur ja nichts zu verschlabbern. Nicht nötig, wie man schnell merkt. Die Ansagen sind zweisprachig, man verpasst nichts im Nachbarland
Saarbrücken/Paris. Der ICE beschleunigt auf Tempo 300. Die Landschaft rast vorbei. Man muss sich erst dran gewöhnen, hält instinktiv das Glas fest, um nur ja nichts zu verschlabbern. Nicht nötig, wie man schnell merkt. Die Ansagen sind zweisprachig, man verpasst nichts im Nachbarland. Und nach dem Menü, das in der ersten Klasse an den Platz gebracht wird, bleibt gerade noch Zeit für ein kurzes Nickerchen oder den Blick in die Zeitung. Schon ist man am Gare de l'Est in Paris. Nicht einmal mehr zwei Stunden trennen Saarbrücken von der Seine-Metropole. Und nach gerade mal neun Monaten, in denen der ICE täglich die Verbindung Frankfurt-Saarbrücken-Paris bedient, sind selbst die Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn überrascht, wie stark diese Verbindung schon angenommen wird. "Wir liegen wirtschaftlich weit über den Erwartungen, im Umsatz sogar schon zweistellig darüber", berichtet Frank Hoffmann von der Gesellschaft Alleo, einer gemeinsamen Tochter der Deutschen Bahn AG und der französischen SNCF. Alleo kümmert sich um die Vermarktung der ICE-Verbindung und das Produktmanagement. Schon weit über 800000 Fahrgäste seien inzwischen auf den beiden Achsen Paris-Saarbrücken-Frankfurt und Paris-Straßburg-Stuttgart unterwegs. Letztere wird vom französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV bedient. Ende Mai werde bereits der Ein-Millionste Zugreisende erwartet. Zwei Drittel aller Tickets würden von Deutschen gelöst, berichtet Hoffmann. Zwischen Saarbrücken und Paris seien bisher 112000 Reisende gezählt worden. Damit gehört Saarbrücken zu den "Top-Five" aller von Alleo gemanagten Bahn-Verkehre. Nur in Mannheim und Karlsruhe sei derzeit das Interesse an Fahrten nach Paris noch deutlich größer.Der frühe Erfolg spornt die Planer offensichtlich an. So steht Alleo unmittelbar vor dem vertraglichen Abschluss einer umfangreichen Kooperation mit Disneyland in Paris. Bereits ab Juli sollen ICE-Nutzer die Chance bekommen, über den Reiseveranstalter Dertour ein Paket zu buchen, das die Zugfahrt nach Paris inklusive eines Besuches in Disneyland enthält. In der ersten Phase ist ein Bus-Shuttle-Service vom Gare de l'Est zum 35 Kilometer entfernt gelegenen Vergnügungspark vorgesehen. Später sollen ein oder mehrere ICE direkt am Vergnügungspark halten.Alleo will in diesem Jahr auch intensiv daran mitwirken, mehr Franzosen für einen Ausflug ins Saarland zu gewinnen. Hier gibt es jedoch noch große Probleme. Denn offensichtlich kommen das bisherige Werbekonzept und der Auftritt der Saarländer in Paris nicht an. So kritisiert Jacques Renard, der Präsident des Deutsch-Französischen Wirtschaftsclubs "Club des Affaires Saar-Lorraine", der Auftritt der Deutschen sei viel zu sachlich. Man erschlage die Franzosen mit Power-Point-Präsentationen und Fakten. "Die Franzosen wollen Begeisterung, Emotion spüren, verführt werden", sagt Renard. Wenn das Saarland argumentiere, die besten Radwege zu haben, "interessiert das in Frankreich niemanden", so Renard. Sage man dagegen, dass in der Region, die man mit dem Fahrrad bereist, früher Krieg geführt wurde und heute die Menschen gemeinsam Feste feiern, dann komme dies an. Renard schlägt vor, möglichst schnell mit ansprechenderen Werbeauftritten in Frankreich zu arbeiten. Denn viel Zeit bleibe nicht mehr. Zumal die Konkurrenzverbindung Paris-Straßburg-Stuttgart nach Fertigstellung einiger Trassenarbeiten in den Vogesen spätestens 2013 noch etwas schneller sein wird als die Verbindung über Saarbrücken. Auch der französische Generalkonsul an der Saar, Jean-Georges Mandon, rät dazu, die Standortvorteile des Saarlandes in den Präsentationen besser hervorzuheben. Nirgendwo sonst in Deutschland gebe es eine so starke Ansammlung an deutsch-französischen Bildungseinrichtungen wie im Saarland. Dies sei besonders wichtig für ansiedlungsinteressierte Unternehmer und Führungskräfte aus Frankreich, die bei einem längeren beruflichen Aufenthalt ihre Familie mitbringen wollen an die Saar. "Wir liegen wirtschaftlich weit über den Erwartungen."Frank Hoffmann, Deutsche BahnMeinung
Viel Zeit verschlafen
Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia Aus Kreisen der Deutschen Bahn und Verantwortlichen im saarländischen Tourismus ist derzeit zu hören, man wolle jetzt ergründen, wie der Franzose "tickt", was er wünscht und erwartet. Mit dem Ziel, ihn für einen Aufenthalt an der Saar zu begeistern. Guten Morgen!, kann man da nur sagen. Der Vertrag von La Rochelle, in dem der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und sein Amtskollege François Mitterrand Hochgeschwindigkeitsverbindungen per Bahn zwischen Frankreich und Deutschland beschlossen haben, stammt aus dem Jahr 1992. Satte 16 Jahre hatte man seitdem Zeit, zu erforschen, wie unsere Nachbarn "ticken". Geschehen ist nicht allzu viel. Wenn dann noch maßgebliche Vertreter der Franzosen an der Saar erklären, das Werbekonzept der Saarländer sei zum Abgewöhnen, dann ist es höchste Eisenbahn, endlich zu einem professionellen Management zu finden. Die saarländische Landesregierung muss das Thema zur Chefsache machen, Professionalität am Tisch versammeln. Vor allem müssen Franzosen dabei sein. Ihnen sollte man zuhören. Dann könnte ein Erfolg daraus werden. HintergrundFrankreich ist und bleibt der Weltmeister im Ferienmachen: Kein anderes Land hat so viele Urlaubstage wie der Nachbar jenseits des Rheins - im Durchschnitt 37 Tage pro Jahr. Das berichtete gestern die Zeitung "Le Figaro" unter Berufung auf eine internationale Vergleichsstudie des Instituts Harris Interactive. Die Italiener kommen auf 33 Urlaubstage, die Spanier auf 30 und die Deutschen auf 27. In den USA haben Arbeitnehmer 14 Tage im Jahr frei. "Im Gegensatz zu den USA ist die europäische Kultur auf Ferien und Freizeit aufgebaut", zitierte der "Figaro" den Soziologen Jean Viard. "Viele Franzosen verreisen aber gar nicht." Laut Fremdenverkehrszentrale verbringen die Franzosen nur 17 Prozent ihrer Urlaubsreisen im Ausland, die Deutschen 64 Prozent. afp