Merkels Strippenzieher

Wenn es wichtig wird, stellt sich Peter Altmaier schon einmal in die Küche. Dann versucht der Parlamentsgeschäftsführer der Union, die Einsichten bei dem einen oder anderen Koalitionär mit einer Einladung zu einem guten Essen zu befördern. Rainer Brüderle (Foto: dpa) macht es ähnlich, nur setzt der FDP-Fraktionschef dann lieber auf ein angeregtes Gespräch bei einem Gläschen Wein

Wenn es wichtig wird, stellt sich Peter Altmaier schon einmal in die Küche. Dann versucht der Parlamentsgeschäftsführer der Union, die Einsichten bei dem einen oder anderen Koalitionär mit einer Einladung zu einem guten Essen zu befördern. Rainer Brüderle (Foto: dpa) macht es ähnlich, nur setzt der FDP-Fraktionschef dann lieber auf ein angeregtes Gespräch bei einem Gläschen Wein. Beide sind im Moment für Angela Merkel die wichtigsten Strippenzieher in der schwarz-gelben Koalition, wenn es darum geht, den Kurs der Kanzlerin bei der Eurorettung in den eigenen Reihen durchzusetzen. Heute wird sich zeigen, ob Altmaier und Brüderle erfolgreich waren - eine Art Generalprobe floppte gestern jedenfalls: Der Opposition gelang es im spärlich besetzten Plenum mit Mehrheit, Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in den Bundestag zu beordern. Brisanz erhielt die Episode, weil die schwarz-gelbe Koalition zahlenmäßig nicht in der Lage war, den Antrag abzulehnen.Wie viele Abweichler werden es sein bei der Abstimmung im Bundestag über den erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF? 13 womöglich seitens der Union, vielleicht vier aus der FDP, hieß es gestern. Damit wäre die eigene Mehrheit der Koalition sicher, auch die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit wäre erreicht. Kommt es tatsächlich so, ist dies auf Seiten der Union vor allem Peter Altmaiers Verdienst. Der 53-jährige Jurist, früher einmal Staatssekretär im Innenministerium, ist innerhalb der Fraktion inzwischen zu "Mister Euro" geworden. Selten hat ein "1.PGF", so sein offizieller Arbeitstitel, sich als eine größere Stütze seiner Kanzlerin erwiesen. Mitunter mehr noch als der Fraktionschef Volker Kauder. Altmaier ist es, der seit Monaten auf allen Sendern den Euro-Kurs der Regierung erklärt, verteidigt und sogar innerhalb der Koalition ab und an klar vorgibt, was richtig und was falsch ist.

Dem Saarländer hilft dabei, dass er überzeugter Parlamentarier ist - und was noch schwerer wiegt, er ist überzeugter Europäer. Bei der Abstimmung heute gehe es nicht nur um eine oder zwei Stimmen. Sondern um ein "pro-europäisches Signal". Eines, "das an den Märkten verstanden wird", so Altmaier. Die ganze Welt verfolge die Sitzung. Mit solchen Sätzen soll den Abweichlern die Bedeutung ihres Handelns bewusst werden. Altmaier setzt nicht auf Konfrontation, lieber auf Einsicht. Stets beteuert er, wie sehr er abweichende Meinungen respektiere. "Genauso wichtig ist aber auch, dass die Regierung handlungsfähig ist." Wer daher seine Haltung noch ändere, "ist kein Umfaller".

Das klingt alles sanft und sachte. In Wahrheit ist Politik kein Kindergeburtstag. Aus der Union hört man, dass einzelne Abgeordnete kräftig von der Führung bei Einzelgesprächen in die Mangel genommen worden sind. Fraktionsvize und Neinsager Wolfgang Bosbach beispielsweise hat damit nicht gerechnet: "So was muss einem schon an die Nieren gehen, besonders in einer C-Partei", gibt er zu. Rainer Brüderle tut in diesen Tagen freilich auch so, als ob es diesen Druck nicht gebe. "Einzelbeatmung ist eine Therapie für den Notfall oder im zwischenmenschlichen Bereich", so der FDP-Fraktionschef lapidar. Dabei telefoniert er deutlich mehr als sonst mit seinen Abgeordneten. Brüderle galt nach der verlorenen Landtagswahl in seinem Heimatland Rheinland-Pfalz Anfang des Jahres als Auslaufmodell. Die FDP-Krise war sein Glück, weil sie ihm den Fraktionsvorsitz einbrachte. Und da die neue Parteiführung blass geblieben ist, gilt er jetzt in der Koalition als letzter liberaler Stabilitätsanker. So sieht es derzeit auch Angela Merkel.

Brüderle umarmt die Abweichler eher, das entspricht seinem leutseligen Charakter, das ist seine Strategie. Da hat er etwas mit dem gemütlichen Altmaier gemein. Beide wissen, dass die Kritiker mehr Rückendeckung der jeweiligen Parteibasis haben als die, die immer neue Rettungspakete schnüren. Öffentliche Zurechtweisungen nutzen somit nichts. Über Frank Schäffler, den härtesten internen Gegner des Euro-Rettungsschirms, sagt Brüderle sogar: "Wir sind uns in der Analyse durchaus einig." Um dann eilig hinzuzufügen: "Aber nicht in den Konsequenzen."

Zur Umarmungsstrategie gehört wohl auch der bewusst harte Ton gegenüber Griechenland - das kommt bei den Parteigängern an. Vor zwei Wochen haben sich in der Fraktion noch sechs Abgeordnete dem Regierungskurs nicht anschließen wollen. "Ich glaube, dass es weniger sein werden", grinst der 66-jährige Brüderle. "Wenn ich ins Bett gehe, zähle ich in Gedanken die Schäfchen." Das wird Altmaier womöglich auch tun. Der eine zählt gelb, der andere schwarz, und über ihnen schwebt das Ziel: die Kanzlermehrheit. "Ich gehe davon aus, dass der Donnerstag

ein guter Tag für die Koalition sein wird."

Peter Altmaier, Geschäftsführer der Unionsfraktion

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