Merkels Problem

Berlin · Sachsen ist nur der Anfang. Das prophezeit die AfD, und bringt mit ihrem Triumph die Union in Erklärungsnot. Wären die Eurokritiker nicht ein Koalitionspartner im Bund? Davon will die Kanzlerin offiziell nichts wissen.

 Sie können es nicht fassen: Hans-Olaf Henkel und Bernd Lucke von der AfD feiern das Ergebnis (9,7 Prozent) der Eurokritiker bei der Landtagswahl in Sachsen. Fotos: dpa

Sie können es nicht fassen: Hans-Olaf Henkel und Bernd Lucke von der AfD feiern das Ergebnis (9,7 Prozent) der Eurokritiker bei der Landtagswahl in Sachsen. Fotos: dpa

Viele dieser Floskeln waren gestern im Konrad-Adenauer-Haus der CDU zu hören, die Politiker benutzen, wenn sie nicht so genau weiter wissen. Man müsse die AfD ernst nehmen, sich mit ihr auseinandersetzen, es gehe jetzt darum, die Wähler der Partei zurückzugewinnen. Und so weiter, und so weiter. In Wahrheit hat die Union noch keine überzeugende Antwort darauf, wie sie mit dem beinahe zweistelligen Erfolg der Eurokritiker bei der Sachsen-Wahl umgehen will. Deswegen legte sie sich gestern zunächst auf den einfachsten aller Wege fest - den des Abwartens.

Bei Angela Merkel wurde dies besonders deutlich. Nach den Gremiensitzungen ihrer Partei bemühte die Vorsitzende die Erkenntnisse von Wahlforschern: "23 Prozent der Wähler, die zu der AfD gewandert sind, kommen von der CDU . 77 Prozent kommen woanders her." Merkels Botschaft: Die Union allein hat kein AfD-Problem, die anderen haben's auch. Also nur keine Aufregung. Außerdem: "Mein Ziel ist, dass sie möglichst bald wieder eine geringere Rolle spielt, das ist klar", so Merkel.

Doch dazu muss man erst einmal genau wissen, inwieweit die AfD mit ihrem Erfolg in Sachsen tatsächlich in der deutschen Parteienlandschaft angekommen ist. Aufschluss darüber könnten die beiden nächsten Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen geben, die in zwei Wochen stattfinden. Mit dem "Rückenwind aus Sachsen ", orakelte Parteichef Bernd Lucke gestern bereits, könnte man in den beiden Ost-Ländern bei "jeweils mindestens sechs Prozent" landen. Die Umfragen prophezeien, es wird spannend für die Alternative für Deutschland .

Bis klar ist, ob die Eurokritiker tatsächlich den Sprung in die Parlamente schaffen, will die Union die Diskussion um ihr Verhältnis zu der Partei möglichst klein halten. Streng nach dem Motto: Augen zu und durch. Koalieren will man mit ihr auf keinen Fall, nicht in Sachsen , auch nicht in Thüringen und Brandenburg . Das wurde gestern von führenden Christdemokraten verkündet.

Das Ergebnis der AfD sei auch von Protest geprägt, erklärte Merkel weiter. "Diesen Protest müssen wir dadurch auflösen, dass wir als Union, als CDU , die Themen ansprechen und lösen, die die Menschen vor Ort bewegen." Viele in ihrer Partei sehen das Problem jedoch etwas tiefgründiger angelegt. Mit Merkel an der Spitze ist die Union nach links gerutscht und hat rechts einen Freiraum entstehen lassen. Diese Leerstelle, so heißt es, besetze jetzt die AfD. Und das durchaus geschickt, indem sich ihre Spitzenpolitiker unter anderem als die wahren Konservativen stilisieren.

Bislang hatte sich die Union das Prinzip des Totschweigens auferlegt - nur nicht zu viel über die Konkurrenz am äußeren Rand reden, lautete die Devise. Um sie nicht aufzuwerten. Merkels Stellvertreter Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen riet aber schon vorsichtig dazu, sich "offen" mit der AfD anzulegen: "Das ist die Methode, der Partei zu begegnen."

Mag sein. Die AfD selbst machte gestern keinen Hehl daraus, dass sie um das Dilemma in der Union weiß und sich darüber freut. Mehr noch: Die sächsische Spitzenkandidatin Frauke Petry goss genüsslich Öl ins Feuer: "Ich denke, es ist an der Zeit, dass Frau Merkel und auch Herr Kauder die AfD endlich ernst nehmen." Anbiedern will man sich nicht. "Wir sollten um Gotteswillen der CDU nicht hinterherlaufen", warnte ein führender AfD-Mann.

 Angela Merkel will, dass die Euroskeptiker in Zukunft keine Rolle mehr spielen.

Angela Merkel will, dass die Euroskeptiker in Zukunft keine Rolle mehr spielen.

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Auf einen BlickDie CDU muss sich nach dem FDP-Scheitern in Sachsen einen neuen Koalitionspartner suchen: Die Optionen: Schwarz-Rot: SPD-Chef Martin Dulig will unbedingt an der Seite von CDU-Spitzenmann Stanislaw Tillich regieren. Daraus macht er keinen Hehl. Gemeinsam könnten sie mit 77 der 126 Landtagssitzen eine stabile Mehrheit stellen. Schwarz-Grün: Grünen-Chefin Antje Hermenau liebäugelt mit der Bündnisoption schon länger. Bei der Basis stößt sie damit stets auf Kritik. Angesichts einer knappen Mehrheit von drei Sitzen und einer starken rot-roten Opposition wäre ein solches Bündnis gewagt.Linke und AfD sind für die CDU offiziell keine Option zum Regieren. dpa

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