Merkels "Kurs von Maß und Mitte"

Berlin. Es kommt eben auf den Standpunkt an. Was für Angela Merkel ein "Kurs von Maß und Mitte" ist, fand Grünen-Fraktionschefin Renate Künast "planlos". Und wo Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, die Koalition fahre "auf Sicht", antwortete der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle: "Nein, Sie stecken mitten im Nebel

Berlin. Es kommt eben auf den Standpunkt an. Was für Angela Merkel ein "Kurs von Maß und Mitte" ist, fand Grünen-Fraktionschefin Renate Künast "planlos". Und wo Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, die Koalition fahre "auf Sicht", antwortete der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle: "Nein, Sie stecken mitten im Nebel." Die Reaktion der Regierung auf die drohende Rezession stand gestern im Mittelpunkt der Generalaussprache im Bundestag über den Haushalt 2009. Als der Etat im Sommer entworfen wurde, konnte dies noch niemand ahnen. Auch nicht, dass die Neuverschuldung wieder auf 18 Milliarden Euro ansteigen würde, statt sich langsam gen Null zu bewegen. Merkel stand bei ihrer Rede unter mehrfachem Druck. Die CSU, der Wirtschaftsflügel der Union und auch der künftige Wunschpartner FDP verlangen vehement schnelle Steuersenkungen, um den Konsum anzukurbeln. Die SPD und die Mehrheit der CDU lehnen das unter Hinweis auf die Verschuldung strikt ab, ein Kurs, den Merkel bisher halten konnte. Doch kam kurz vor ihrem Auftritt Störfeuer aus Brüssel. Die Europäische Kommission riet den Mitgliedsstaaten, den Mehrwertsteuersatz abzusenken. Gegen europäischen Trend Westerwelle bohrte in dieser Wunde. Deutschland stehe mit seiner Verweigerungshaltung europaweit allein da. Merkels Politik der kleinen Schritte sei zu einer Politik der eingeschlafenen Füße geworden. "Lösen Sie die Bremsen", rief Westerwelle aus und meinte sofortige Steuersenkungen auf breiter Front. Was SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler zu der Bemerkung veranlasste, der FDP-Chef sei doch ein armer Mann: "Morgens, mittags und abends, immer kann er nur an das eine denken - Steuersenkungen."Merkel sagte zu den FDP-Forderungen zwar vorsichtig "Nein", aber immerhin kein strenges "Njet", wie man es aus Zeiten kannte, als die Sowjetunion im UN-Sicherheitsrat so ihr unumstößliches Veto einlegte. Sie hielt sich Türen offen. Dass außergewöhnliche Umstände auch besondere Maßnahmen erforderten, betonte sie, und auch, dass Deutschland in Sachen Steuersenkungen einen eigenen, "maßgeschneiderten Weg" gehen werde. Man könne nicht alle Entwicklungen voraussagen. In der Krise auf Sicht zu fahren, also je nach Lage zu entscheiden, ist mittlerweile der kleinste gemeinsame Nenner in der Koalition geworden. Deshalb soll auch Anfang Januar kommenden Jahres eine vorgezogene Sitzung des Koalitionsausschusses stattfinden, um die Situation noch vor den Klausurtagungen der Fraktionen neu zu bewerten. Brücke zu 2010Bis dahin bleibt es bei dem Konjunkturprogramm, so wie es ist: Kredite für den Mittelstand, Mittel für Gebäude-Sanierung, Geld für Infrastruktur-Investitionen und höhere Absetzbarkeit von Handwerker-Rechnungen. Das baue, meinte Merkel, "eine Brücke, damit 2010 besser wird". 2009 allerdings werde ein Jahr "schlechter Nachrichten". "Wir brauchen keine Regierung, die vor schweren Zeiten warnt", entgegnete Westerwelle darauf. "Sondern eine, die in schweren Zeiten handelt." Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine attestierte der Kanzlerin "Kaltblütigkeit im Winter". Ihr Konjunkturprogramm bleibe mit 0,15 Prozent vom Bruttosozialprodukt weit hinter dem Chinas (acht Prozent) und der USA (zwei Prozent) zurück. "Sie haben die Dimension nicht erkannt."

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