Konferenz Ein ungewöhnliches Quartett wirbt für den Frieden in Syrien

Istanbul · Bei einem Gipfel in Istanbul haben Russland, Frankreich, die Türkei und erstmals Deutschland über eine politische Lösung des Bürgerkriegs beraten.

 Mehr als eine Geste? Wladimir Putin, Angela Merkel, Recep Tayyip Erdogan und Emmanuel Macron reichen sich am Ende des Gipfels die Hände.

Mehr als eine Geste? Wladimir Putin, Angela Merkel, Recep Tayyip Erdogan und Emmanuel Macron reichen sich am Ende des Gipfels die Hände.

Foto: dpa/Oliver Weiken

Als alles schon fast vorbei war, bat der Gastgeber noch einmal zu einem Gruppenfoto. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan dirigierte seine Gesprächspartner mit einer Handgeste in die Mitte des Podiums. Dann standen sie plötzlich da, nebeneinander aufgereiht, Hand in Hand, vier Spitzenpolitiker, die sich sonst mehr durch Zwist als durch Einigkeit verbunden sind: Kreml-Chef Wladimir Putin, Kanzlerin Angela Merkel, Erdogan und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Es sollte eine seltene Geste der Geschlossenheit von diesem Syrien-Gipfel ausgehen.

Mehrere Stunden saßen die vier am Samstag in einer prunkvollen Istanbuler Holzvilla zusammen, erstmals in diesem ungewöhnlichen Format, um über die Zukunft des Bürgerkriegslandes zu beraten. Die Erwartungen waren gering, am Ende stand immerhin ein gemeinsamer Wille. Bis zum Ende des Jahres, so beschloss es der Gipfel, soll der festgefahrene politische Prozess in Syrien wieder angeschoben werden. Bis dahin soll endlich ein Komitee seine Arbeit aufnehmen, das seit Monaten beschlossen ist, eine neue Verfassung ausarbeiten soll, aber bislang im Wesentlichen als Idee auf dem Papier existiert.

Sehr zufrieden sei sie, sagte Merkel am Ende, weil „wir dem politischen Prozess ein bestimmtes Momentum, eine bestimmte Beschleunigung geben konnten“. Für Merkel war das Treffen in Istanbul eine Premiere. Erstmals war die Kanzlerin bei einem Gipfel zur Lösung des Syrienkonfliktes dabei. Deutschland hat zwar so viele Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen wie kein anderes EU-Land. Auch bei der Hilfe für die notleidenden Menschen im Bürgerkriegsland und in den Nachbarstaaten nimmt Deutschland mit jährlichen Milliardenzahlungen einen Spitzenplatz ein. Bei der Konfliktlösung spielte der Staat bisher allerdings nur eine kleine Nebenrolle.

Darum kümmerten sich die Länder, die auch militärisch involviert sind: Russland, die Türkei, der Iran, die USA oder auch Frankreich. Dass Merkel nun mit am Tisch sitzt, dürfte auch damit zu tun haben, dass Deutschland als stärkste europäische Wirtschaftsmacht in der Nachkriegszeit beim Wiederaufbau gebraucht wird. Russland jedenfalls hätte gerne deutsche Hilfe.

In Istanbul spielte das allerdings noch keine Rolle. Zu weit ist eine politische Konfliktlösung noch entfernt. Immerhin hat sich die militärische Lage in Syrien deutlich beruhigt. Die Waffenruhe in der letzten großen Rebellenhochburg um die Stadt Idlib im Nordwesten des Landes ist fragil, aber sie hält weitestgehend. Die von Russland als Partner der Regierung und der Türkei als Unterstützer der Rebellen errichtete entmilitarisierte Pufferzone dort wirkt bisher.

Die vier Spitzenpolitiker wollen diese Gelegenheit nutzen, um mit dem Verfassungskomitee den politischen Prozess wieder in Gang zu bringen. Das Gremium soll unter UN-Ägide arbeiten und mit Vertretern der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft besetzt werden. Am Ende sollen freie Wahlen stehen. „Syrien muss ein Land sein, das wieder Heimat für alle Menschen ist“, sagte Merkel. Sie weiß: Nur mit einer politischen Lösung für den seit 2011 tobenden Konflikt besteht die Chance, dass die syrischen Flüchtlinge zurückkehren.

Auffällig war in Istanbul, wie sehr Putin – treuer Verbündeter des syrischen Machthabers Baschar al-Assad – die Führung in Damaskus in die Pflicht nahm. Das Verfassungskomitee sollte von allen syrischen Parteien als legitim anerkannt und genutzt werden, erklärte der Kreml-Chef. Er rufe die syrische Regierung immer dazu auf, konstruktive Gespräche zu führen. Dabei hatte Syriens Außenminister Walid al-Muallim noch vor einigen Tagen deutlich gemacht, dass für Damaskus eine neue Verfassung eine innere Angelegenheit ist. Sprich: Das geplante Format unter UN-Ägide in Genf lehnt die Regierung ab. War’s das also schon – mit der Hoffnung auf Frieden in Syrien?

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