Merkel will in Griechenland nicht die Lehrerin geben

Athen · Bei ihrem letzten Besuch in Griechenland musste Kanzlerin Merkel wüste Beschimpfungen und sogar Hitler-Vergleiche über sich ergehen lassen. Dennoch kam sie jetzt zurück – und lobte das Land für seinen Kampf gegen die Krise.

Viele Griechen wollten ihren Augen nicht trauen. Sind das dort wirklich Antonis Samaras und Angela Merkel?, fragte ein griechischer Journalist gestern Abend während der Pressekonferenz zum Abschluss des Besuches der Bundeskanzlerin in Athen. Vor zwei Jahren hatten sich die beiden Regierungschefs da noch misstrauisch gegenübergestanden. "Ja, die Stimmung ist völlig anders", sagt ein enger Mitarbeiter des griechischen Ministerpräsidenten. Bei den Gesprächen gestern kamen zwei alte Bekannte zusammen und erklärten, sie wollten Hand in Hand die Krise in Griechenland überwinden.

Samaras erinnerte daran, dass er 2012 in Berlin und in Athen versprochen habe, sein Land werde es schaffen. Und Griechenland habe es Dank der EU-Partner "und der Deutschen geschafft". Die Kanzlerin zeigte Verständnis für die Lage der Griechen, deren Wirtschaft am Boden ist. Merkel zog eine Parallele zu ihrer ostdeutschen Herkunft. Aus ihrer Sicht sind innovative Firmen ein wesentlicher Baustein für die Zukunft des Landes. Auch nach der deutschen Wiedervereinigung hätten viele Menschen ihre Arbeit verloren, viele sich in neuen Situationen zurechtfinden müssen, sagt Merkel. Später hätten sie erkannt: "Die Chancen und die Möglichkeiten überwiegen. Und ich bin ganz sicher, das wird auch in Griechenland so sein, trotz der schweren Wegstrecke."

Nicht als Lehrerin, die ihrem konservativen Parteifreund Samaras Noten erteilt, will Merkel in Athen wahrgenommen werden. Tatsächlich sei die griechische Regierung schon ordentlich vorangekommen auf dem Reformweg, verlautet aus dem Kanzleramt. Beispiel Lohnstückkosten: Die haben sich so entwickelt, dass es eine reale Chance für die Griechen gebe, wettbewerbsfähig zu werden. Landwirtschaft und Tourismus sieht die Bundesregierung als Fundament der Entwicklung, hier gibt es eine gute Ausgangslage. 2013 war das seit langem beste Jahr für die griechische Tourismusbranche. Als Katastrophe empfindet auch die Kanzlerin die hohe Arbeitslosigkeit. Ihr Rezept: Geduld. Zuerst muss das Vertrauen zurückkehren, dann das Wachstum kommen - so werde auch die Beschäftigungslage besser, hoffen die Deutschen.

Völlig anders war dieses Mal auch die Stimmung auf den Straßen Athens. Als Merkel im Oktober 2012 zuletzt in Griechenland war - damals mitten in der Schuldenkrise - schlug ihr teils blanker Hass entgegen. Es gab Demonstrationen mit 30 000 Teilnehmern, die Menschen machten sie persönlich für die schwierige Lage verantwortlich. Selbst Hitler-Vergleiche konnten sich manche nicht verkneifen. Diesmal gingen trotz Aufrufen der starken Linkspartei nicht mehr als 1500 Menschen auf die Straßen. Deren Demonstration löste sich schnell auf.

Vieles ist in Griechenland teurer geworden - und das bei der hohen Arbeitslosigkeit. Immer noch gibt es zu wenig Wettbewerb, der Regierungsapparat ist zu behäbig. Die Griechen bräuchten Wettbewerb, betont die Kanzlerin. Und die Kreditklemme soll endlich gelöst werden - einen Hebel dazu sehen die Deutschen in einer gemeinsamen Förderbank für die Wirtschaft. Einen ersten Baustein dazu hat die Kanzlerin im Gepäck: Berlin stellt 100 Millionen Euro als Globaldarlehen zur Verfügung.

Für die Griechen wächst die Hoffnung auf Besserung - sie konnten am Donnerstag erstmals seit 2010 wieder Staatsanleihen platzieren. Das Krisenland erhielt rund drei Milliarden Euro von den Märkten für eine fünfjährige Laufzeit. Samaras braucht Merkels Unterstützung dennoch dringend, die Stimmung in der Bevölkerung ist desolat. 27 Prozent der Griechen sind arbeitslos. Ihnen bringt der erfolgreiche Marktgang nur wenig. "Ich habe keine Arbeit. Meine zwei Kinder auch nicht. Wir leben vom Lohn meiner Frau. Das sind 780 Euro", sagte Stelios Sarantis in Athen. Zur Anti-Merkel-Demonstration ging er gestern aber nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort