Merkel und die SPD lassen sich von Westerwelle nicht scheiden

Berlin. Ein halbes Jahr noch bis zum regulären Wahltermin, aber der Wahlkampf hat die große Koalition längst fest im Griff. Union und SPD üben sich immer heftiger im Schlagabtausch. Mit einer Breitseite gegen die SPD hat CSU-Chef Horst Seehofer gar die vorzeitige Neuwahl in die Diskussion gebracht. Die Sozialdemokraten zweifeln schon seit längerem öffentlich Merkels Führungskompetenz an

Berlin. Ein halbes Jahr noch bis zum regulären Wahltermin, aber der Wahlkampf hat die große Koalition längst fest im Griff. Union und SPD üben sich immer heftiger im Schlagabtausch. Mit einer Breitseite gegen die SPD hat CSU-Chef Horst Seehofer gar die vorzeitige Neuwahl in die Diskussion gebracht. Die Sozialdemokraten zweifeln schon seit längerem öffentlich Merkels Führungskompetenz an.Doch ausgerechnet die Frage nach der Neuwahl scheint die unfreiwilligen Partner mitten in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit wieder zusammenzuschweißen. Gestern wollte niemand aus der Koalition nachlegen und das Ende heraufbeschwören. Die Opposition lacht sich ins Fäustchen. FDP-Chef Guido Westerwelle will nicht bis zum 27. September warten und fordert die vorzeitige Bundestagswahl. "Wir wollen nicht, dass dieses Chaos bis September weitergeht." Vergiftete Köder erkennt Angela Merkel schnell. Sie ahnt offenbar, dass politischer Streit in der Krise nicht ankommt. Jedenfalls nutzte sie am Sonntagabend ihren Auftritt in der ARD-Talk-Sendung "Anne Will" (siehe SZ von gestern), um sich als über den Parteien stehende Kanzlerin darzustellen: "Ich werde meine Aufgaben bis zur Bundestagswahl erfüllen. Ich kann nur jedem raten, genau dasselbe zu tun." Wenn Merkel überhaupt parteipolitisch austeilte, dann in Richtung der Wunsch-Koalitionspartnerin FDP. Die mache sich mit der Ablehnung einer Enteignung bei der angeschlagenen Bank Hypo Real Estate "einen schlanken Fuß". Guido Westerwelle beschwerte sich gestern prompt: Es sei ihm aufgefallen, dass Merkel sich schärfer mit seiner Partei auseinandergesetzt habe als mit den Sozialdemokraten. "Das war Wahlkampf." Schon seit Beginn der großen Koalition hatte Westerwelle immer wieder Prognosen abgegeben, dass es bald vorzeitige Neuwahlen geben werde, war jedoch stets enttäuscht worden. Jetzt sagt er: "Wenn die Regierung nicht zur Sacharbeit zurückkehren will oder kann, dann soll sie den Weg frei machen." Die Sozialdemokraten haben daran aber kein Interesse. Sie waren gestern bemüht, die Wogen wieder zu glätten. "Wir müssen bis zum 27. September die Probleme, die dieses Jahr noch kommen, auch gemeinsam lösen", meinte etwa SPD-Vize Andrea Nahles. Parteichef Müntefering suchte schon am Sonntag den Eindruck eines beginnenden Wahlkampfes zu zerstreuen. "Es wird regiert, und zwar so lange, wie wir in der Regierung sind, und das ist bis zur Bundestagswahl." Selbst die CSU-Spitze wollte kein Öl mehr ins Feuer gießen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer betonte: "Wir sind für die gesamte Strecke gewählt."Probleme gibt es genug. Die Regierung steht vor ihren bisher größten Herausforderungen: die Rettung der Hypo Real Estate und steigende Arbeitslosigkeit, aber auch der Mindestlohn für Zeitarbeiter, die Reform der Jobcenter, die Visa-Warndatei und das Präventionsgesetz für mehr Gesundheitsvorsorge. Als großer Streitpunkt bleibt vor allem Opel. Die SPD hat sich inzwischen darauf festgelegt, dass der Staat dem Unternehmen in jedem Fall helfen soll, und zwar zur Not auch mit einer direkten Staatsbeteiligung. Bei VW sei das sehr erfolgreich, meinte Andrea Nahles, die zugleich betonte, sie wolle eine solche Staatsbeteiligung nur auf Zeit. Ähnlich äußerte sich auch Arbeitsminister Olaf Scholz. Merkel sagte dagegen bei "Anne Will", man habe "zurzeit" nicht die Absicht, sich an Opel zu beteiligen, sondern wolle mit Bürgschaften helfen, falls es einen Investor gebe. "Diesen Konflikt kann man nicht mehr übertünchen", sagte Nahles am Tag der der TV-Sendung Merkels.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort