Mini-Gipfel in Brüssel Merkel sucht Notlösung im Asylstreit

Brüssel · Die Kanzlerin drängt bei einem Mini-Gipfel in Brüssel für eine solidarische Flüchtlingspolitik. Doch die Zeichen stehen auf Abschottung.

Die Kanzlerin im Mittelpunkt. In Brüssel versuchte sie die Staaten Europas auf ihren Ansatz der Asylpolitik einzuschwören. Mit mäßigem Erfolg.

Die Kanzlerin im Mittelpunkt. In Brüssel versuchte sie die Staaten Europas auf ihren Ansatz der Asylpolitik einzuschwören. Mit mäßigem Erfolg.

Foto: dpa/Virginia Mayo

Abschotten, zurückweisen, ausgrenzen – wird das der neue EU-Kompromiss im Asylstreit? Bei einem Sondertreffen von 16 Staats- und Regierungschefs am Sonntag in Brüssel zeichnete sich ab, dass mehr Grenzschutz und Auffangzentren für Migranten von vielen favorisiert werden. Nur Italien will das geltende Recht vollständig abschaffen.

Für die Kanzlerin stand gestern fest: keine „europäische Lösung an diesem Sonntag“ und auch nicht beim regulären EU-Gipfeltreffen Ende der Woche in Brüssel. Aber schon in den kommenden Tagen wolle man versuchen, Absprachen mit anderen Regierungen zu treffen, um das Weiterwandern von Flüchtlingen in die Bundesrepublik zu begrenzen. Kein Wort über den Streit mit ihrem Innenminister Horst Seehofer und seiner CSU. Das blieb an diesem Sonntag anderen überlassen. „Es geht hier nicht um die Rettung einer Kanzlerin oder die Frage, ob Angela Merkel nächste Woche noch Regierungschefin ist“, sagte der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel. „Es geht um eine europäische Lösung in der Asylpolitik.“ Und auch der österreichische Kanzler Sebastian Kurz erklärte ausdrücklich, er wolle sich „nicht in den innerdeutschen Streit einmischen“. Bei diesem Sondertreffen sollten alle Beteiligten darüber reden, „was wir jetzt gemeinsam umsetzen können“. Kurz: „Ich bin da positiv gestimmt.“

Das konnte er auch. Denn obwohl an diesem Sonntag keine Beschlüsse gefasst und keine Abschlusserklärung verfasst wurden, so herrschte doch durchaus erste Einigkeit. Der EU-Küsten- und Grenzschutz soll drastisch ausgebaut und personell aufgestockt werden. Die Rede ist von 10 000 Beamten bis 2020. Immer größere Kreise zieht auch die Idee neuer Auffangzentren, in denen Zuwanderer registriert und geprüft werden sollen. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron war einer der wenigen, der dabei an die europäischen Werte erinnerte: „Diese Werte haben uns geformt und jedes Mal, wenn wir sie verraten haben, haben wir Schlimmeres verursacht“, betonte er. Aber er sagte auch: „Die illegale Migration muss reduziert werden – auf humane Weise und methodisch“. Macron und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sanchez denken dabei an Einrichtungen, die innerhalb der EU aufgebaut werden. Flüchtlinge mit dort bestätigtem Asyl-Anspruch sollten dann in die Mitgliedstaaten weiterreisen dürfen. Die meisten anderen Staatenlenker bevorzugen offenbar das Modell von Kanzler Kurz, der solche Zentren in den nordafrikanischen Staaten sowie den Balkanländern installieren will. Dorthin sollen alle Migranten, nicht nur die auf hoher See geretteten, gebracht werden – also außerhalb der Union. Der Türkei-Deal gilt dabei als Blaupause. Das heißt: Die Partnerregierungen der Gemeinschaft bekommen Gelder, um bei sich Auffangzentren zu errichten und zu betreiben, die den humanitären und Menschenrechtsstandards der UN entsprechen. Eine Idee, die unerwartete Unterstützung erhielt: Gestern traf in Brüssel ein Schreiben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge, Filippo Grandi, ein, wie Luxemburgs Premier Bettel bestätigte. Er bot an, diese Einrichtungen unter UN-Verantwortung zu betreiben.

Dass das nicht reicht, machte vor allem Italiens Premier Giuseppe Conte klar: Die Dublin-Regelung, nach der ein Migrant in dem Land seinen Asylantrag stellen muss, in dem er zuerst die Gemeinschaft betreten hat, müsse „komplett überwunden werden“. Sein Plan läuft ebenfalls auf Transitzentren für illegale Migranten hinaus, Wirtschaftsflüchtlinge ohne Asylanspruch will Rom auf die Mitgliedstaaten verteilen, wodurch Wanderungen der Migranten zwischen den EU-Ländern zu einem geringeren Problem würden. Am Donnerstag wird weiter beraten – zusammen mit den Staatschef der zwölf Länder, die am Sonntag in Brüssel fehlten.

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