Merkel lässt Steinmeier das Wasser reichen

Berlin. Nach vollbrachter Tat turteln sie wie die Täubchen, sie noch ein bisschen mehr als er. Als Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Pressespiegel mit den Berichten zum Konjunkturprogramm durchblättert, beugt sich Angela Merkel (CDU) herüber und liest ein bisschen mit. Dann zeigt sie ihm eine SMS

Berlin. Nach vollbrachter Tat turteln sie wie die Täubchen, sie noch ein bisschen mehr als er. Als Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Pressespiegel mit den Berichten zum Konjunkturprogramm durchblättert, beugt sich Angela Merkel (CDU) herüber und liest ein bisschen mit. Dann zeigt sie ihm eine SMS. Und als der Saaldiener ihr ein Glas Wasser hinstellt, fragt sie Steinmeier, ob er auch eins will und ordert es. Kanzlerin und Vizekanzler demonstrieren bei der Sondersitzung des Bundestages das, was Steinmeier "verantwortliche Politik in der Krise" nennt und Merkel "Gemeinsinn".

Dabei ist eigentlich ein großes Kräftemessen angesagt, denn zum ersten Mal gibt nicht nur Merkel eine Regierungserklärung ab, sondern kurz nach ihr auch Steinmeier. Man merkt beiden an, dass sie hochkonzentriert sind. Der Saal ist voll, die Regierungsbank komplett besetzt wie auch das Plenum, und selbst die Seite des Bundesrates ist mit mehreren Ministerpräsidenten gut gefüllt. Es geht eben nicht nur um das mit insgesamt 80 Milliarden Euro größte Konjunkturprogramm in der Geschichte. Es geht für Steinmeier um gleiche Augenhöhe mit der Kanzlerin, und für die Kanzlerin um ihre Rolle als Chefin. Beiden gelingt das. Merkel allerdings nur, sagen Steinmeiers Leute in der Lobby, weil sie ganze Passagen aus jenem Papier "abgekupfert" habe, mit dem der Vizekanzler letzte Woche in der Debatte um das Konjunkturprogramm vorgeprescht war. Das stimmt aber nicht, wie ein Textvergleich zeigt. Allerdings teilt Merkel inzwischen offenbar wesentliche Gedanken ihres Kontrahenten.

Sie beschwört, wie ernst die Krise sei. Sie mahnt die soziale Dimension der Marktwirtschaft an. Und sie betont immer wieder, dass Deutschland die Situation bewältigen könne. "Das Land hat schon ganz andere Herausforderungen gemeistert." Am Ende wird die Kanzlerin fast pathetisch. Das Konjunkturpaket und die damit verbundenen neuen Schulden "waren die bisher schwerste innenpolitische Entscheidung, die ich als Bundeskanzlerin zu treffen hatte", sagt sie. Es ist eines der wenige Male, wo sie "ich" sagt. Sonst immer "wir", die Bundesregierung. Steinmeier sagt viel öfter "ich". Er versucht den souveränen Übervater zu spielen, etwa indem er sagt, "dass sich Politik in diesem Jahr bewähren muss". Oder indem er an die Verantwortlichen in der Wirtschaft appelliert, wie Siemens auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Oder indem er die EU-Kommission auffordert, nicht mehr nur an den freien Binnenmarkt, sondern auch an die soziale Gerechtigkeit zu denken. Überhaupt hat sich Steinmeier vorgenommen, einen Schwerpunkt auf die internationale Dimension des Geschehens zu legen, auf die "historische Chance, eine Weltwirtschaftsordnung zu schaffen, die Krisen derartigen Ausmaßes verhindert". Aber, Hase und Igel, Angela Merkel hat auch dieses Thema parat. Sie werde nicht locker lassen, den Weltfinanzmärkten einen Ordnungsrahmen zu geben und habe deshalb die europäischen Teilnehmer des nächsten G20-Treffens zur Vorbereitung nach Berlin eingeladen. Das kann Steinmeier nur noch "selbstverständlich unterstützen".

Bei so viel geballter Verantwortung hat es die Opposition schwer. Ihr fehlt eine klare Linie der Kritik am Konjunkturprogramm. Mal sind es zu wenig Steuersenkungen, wie bei FDP-Chef Guido Westerwelle, dann wieder zu viele Schulden, wie bei Fritz Kuhn von den Grünen, manchmal auch beides. Oskar Lafontaine von den Linken findet die Steuerpläne eine "bodenlose Unverschämtheit" und das Investitionsprogramm zu wenig. Worte wie "Murks", "Sammelsurium" und "Flickschusterei" fallen. Aber gegen Merkels Satz "Nichtstun wäre keine Alternative" hat keiner ein schlagendes Argument.

Matthias Platzeck (SPD), Brandenburgs Ministerpräsident, greift die Oppositionsredner scharf an. Mit Spötterei und Besserwisserei werde man dem Ernst der Lage nicht gerecht, meint er und verweist darauf, dass im Osten schon 52 Prozent die soziale Marktwirtschaft ablehnen. Die Menschen seien in Sorge. "Wir tun uns allen einen Tort an, wenn wir das Programm jetzt zerreden." "Das Land hat schon ganz andere Heraus-

forderungen gemeistert."

Bundeskanzlerin

Angela Merkel

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort