Merkel lässt es menscheln

Berlin · Vom Privatleben der Bundeskanzlerin erfuhr man in der Vergangenheit so gut wie nichts. Neuerdings jedoch lässt Angela Merkel durchaus Blicke hinter die Kulissen zu – was auch daran liegen könnte, dass der Wahlkampf beginnt.

 An der Handhaltung zu erkennen: DDR-Backfisch Angela Kasner 1971 auf einem Gruppenfoto bei einer Mathematik-Olympiade.Foto: Getty

An der Handhaltung zu erkennen: DDR-Backfisch Angela Kasner 1971 auf einem Gruppenfoto bei einer Mathematik-Olympiade.Foto: Getty

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Eigentlich schottet Angela Merkel ihr Privatleben immer hermetisch ab. In den zurückliegenden Wochen aber hat man so viel Privates von Angela Merkel gesehen und gehört wie in acht Regierungsjahren vorher nicht. Der Wahlkampf kommt, Angela Merkel lässt es menscheln. Es häufen sich die Schulbesuche und Podiumsgespräche. Und so erfuhr man, dass sie eine richtige Omi ist für die Kinder des aus erster Ehe stammenden Sohnes ihres Mannes. Allerdings durch Paparazzi-Fotos vom Osterurlaub auf Ischia. Eine Buchveröffentlichung enthüllte zudem, dass die Kanzlerin einen polnischen Großvater hat. Und bei einem Gespräch mit der Frauenzeitschrift "Brigitte" erzählte Merkel von ihrer ersten Auslandsreise in die USA, über den Ehealltag mit Joachim Sauer und was sie an Männern besonders attraktiv findet: schöne Augen.

So schien es auch am Sonntagabend weiterzugehen, als Merkel sich mit ihrem Mann in einem Berliner Kino den DDR-Kultfilm "Die Legende von Paul und Paula" aus den frühen 1970er Jahren ansah und anschließend über ihre Teenie-Zeit im brandenburgischen Templin befragen ließ. Sie erzählte von den Feten, der Musik und der damaligen Mode. Allerdings gab es plötzlich auch eine unangenehme Frage. Sie galt der Enthüllung zweier "Bild"-Autoren, die über "Das erste Leben der Angela M." recherchiert und ein gleichnamiges Buch veröffentlicht haben. Demzufolge war Merkel während ihrer Zeit an der DDR-Akademie der Wissenschaften in den 1980er Jahren Sekretärin für Agitation und Propaganda der SED-Jugendorganisation FDJ ihrer Sektion Physik und außerdem Mitglied der "Betriebsgewerkschaftsleitung".

Merkel hatte bisher allerdings nie einen Hehl aus ihrer damaligen FDJ-Mitgliedschaft gemacht. 1991 schon sagte sie dem Journalisten Günter Gaus in einem Fernsehinterview: "Ich war gerne in der FDJ." Und zwar, so schilderte sie seinerzeit, wegen der "Freizeitveranstaltungen" und auch aus "70 Prozent Opportunismus". Nur dass sie für die Propaganda zuständig gewesen sei, das hatte die heutige Kanzlerin stets im Unklaren gelassen. Es sei die Kulturarbeit gewesen, war ihre bisherige Version. Am Sonntag im Kino sagte sie nun dazu, sie habe sich bisher immer auf ihre Erinnerung gestützt. "Wenn sich jetzt etwas anderes ergibt, kann man damit auch leben." Und auch das mit der Funktion in der DDR-Gewerkschaft scheint zu stimmen. "Vielleicht habe ich auch andere Dinge nicht erzählt, weil man mich nie danach gefragt hat", meinte die Kanzlerin. Und nannte neben der Mitgliedschaft im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) auch die in der "Deutsch-Sowjetischen Freundschaftsgesellschaft". Merkel, so scheint es, ist in jungen Jahren im System mitgelaufen.

Eine andere Information der "Bild"-Autoren spricht allerdings auch für die heute 58 Jahre alte Kanzlerin. Nämlich, dass sie schon im Oktober 1989, also vor dem Mauerfall, der DDR-Oppositionsgruppe "Demokratischer Aufbruch" beitrat. Merkel selbst hatte stets vom Dezember 1989 gesprochen, was deutlich weniger mutig gewesen wäre. Und keinesfalls nachteilig in Merkels Biografie ist die Enthüllung, dass sie noch im September 1989 nicht für die Wiedervereinigung, sondern für einen demokratischen Sozialismus in einer eigenständigen DDR gewesen sei. Das wollten vor dem Mauerfall alle DDR-Oppositionellen von Bohley bis Schorlemmer. Selbst Kanzler Kohl sprach Ende 1989 noch von einer Konföderation zweier eigenständiger deutscher Staaten.

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