Attacken gegen die Kanzlerin Merkel gerät in Bamf-Affäre in die Kritik

Berlin · Die CDU bemüht sich nach Kräften, die Kanzlerin im Skandal um die Asylbehörde aus der Schusslinie zu halten.

 Tut sie zu wenig? In der Affäre um unrechtmäßig bewilligte Asylanträge gerät jetzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Kritik. Ihr wird vorgeworfen, den Skandal auszusitzen.

Tut sie zu wenig? In der Affäre um unrechtmäßig bewilligte Asylanträge gerät jetzt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Kritik. Ihr wird vorgeworfen, den Skandal auszusitzen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Im Saal 2 300 des Paul-Löbe-Hauses soll Horst Seehofer (CSU) heute ab 15 Uhr liefern. Dann wird der Bundesinnenminister den 46 Mitgliedern des Innenausschusses in einer Sondersitzung zur Affäre um womöglich Tausende unrechtmäßige Asylbescheide Rede und Antwort stehen. Ebenso wie die heftig kritisierte Chefin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Jutta Cordt. Während Seehofer schon im Vorfeld den Chefaufklärer gibt, halten sich andere bedeckt.

Zum Beispiel die Kanzlerin. SPD-Bundesvize Ralf Stegner feuerte daher gestern eine volle Breitseite gegen Angela Merkel (CDU) ab: „Sie schweigt, tut nichts und will den Kontrollverlust im Bamf aussitzen“, meckerte der Vize-Parteichef. Dabei habe sie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 die Zuständigkeiten eigens ins Kanzleramt geholt. Darauf angesprochen, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert lediglich, die Kanzlerin verfolge den Fall „sehr intensiv“. Sie unterstütze Seehofers Bemühungen, „Aufklärung in diese ja doch sehr schwerwiegenden Vorwürfe zu bringen“.

2015 hatte Merkel den früheren Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, kurzfristig zum Bamf-Chef befördert, damit er die Behörde auf Vordermann bringt. Bamf- Personalratschef Rudolf Scheinost warf Weise jetzt vor, dass unter seiner Leitung über das Grundrecht auf Asyl nur noch wie am Fließband entschieden worden sei. Pannen, Fehler und Unregelmäßigkeiten inklusive. Außerdem machte Merkel den damaligen Kanzleramtsminister und heutigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zum Flüchtlingskoordinator. Altmaier, der vor allem für die politische Gesamtkoordination zuständig gewesen ist, hat sich bislang ebenfalls noch nicht zur Affäre geäußert. Und dann erteilte Merkel dem damaligen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) den Auftrag, mit Gesetzen Ordnung in die Flüchtlingspolitik zu bringen. In seine Amtszeit fiel also das Chaos in der ihm unterstellten Behörde und in deren Außenstellen. Etwa in Bremen, wo zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende Grundlage Asyl gewährt worden sein soll. Auch de Maizière hat bisher zum Skandal geschwiegen.

Bei der CDU wollte man Merkel gestern unbedingt aus der Schusslinie halten. Parteivize Julia Klöckner betonte, Stegner benutze die Sprache der AfD, „und das ist schon bemerkenswert“. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, die Kanzlerin nehme ihre Verantwortung wahr. Sie sei in die Aufklärungsarbeit eingebunden. Die Federführung liege aber beim Innenminister. „Das ist Horst Seehofer.“ Er muss es also richten. Noch als bayerischer Ministerpräsident hatte Seehofer Merkel heftig wegen ihrer Flüchtlingspolitik attackiert; dann war er ins Berliner Innenressort gewechselt, um in der Flüchtlings- und Sicherheitspolitik durchzugreifen. Nun wird Seehofer von einer Affäre überrollt, die er zwar nicht verursacht hat, die ihm aber den Start ins Amt verhagelt und die er zügig in den Griff bekommen muss. Angesichts der Vorgeschichte ist manch einer in der CDU darüber nicht unglücklich.

Seehofer selbst blieb auch gestern gelassen. Die Vorgänge in Bremen seien Beleg für die Notwendigkeit, „dass man die entscheidenden Behörden zusammenführt“ – und zwar in den von ihm geplanten, aber sehr umstrittenen Ankerzentren, in denen die Asylverfahren künftig komplett durchgeführt werden sollen. Er verspüre keinen Druck, so der Minister. Im Ausschuss könnte sich das jedoch ändern, zumal es eine lange Sitzung werden kann. Allein die Grünen haben einen Katalog mit fast 60 Fragen an Seehofer vorgelegt.

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