Menthol-Verbot, Warnhinweise, Ekel-Bilder

Es ist die lange erwartete Großoffensive gegen den blauen Dunst: Abstoßende Bilder von erkrankten Organen auf den Schachteln, Warnhinweise, Verbot von Zusatzstoffen und künstlichen Aromen, Aus für schlanke Slim-Zigaretten - wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, sollen die Tabak-Regale der Kioske demnächst wie ein Horror-Kabinett aussehen

 Altkanzler Helmut Schmidt ist der berühmteste Raucher der Republik - und gewiss auch einer der hartnäckigsten. Auch mit fast 94Jahren genießt er seine Menthol-Zigaretten noch. Die EU will die jetzt aber verbieten. Foto: Marks/dpa

Altkanzler Helmut Schmidt ist der berühmteste Raucher der Republik - und gewiss auch einer der hartnäckigsten. Auch mit fast 94Jahren genießt er seine Menthol-Zigaretten noch. Die EU will die jetzt aber verbieten. Foto: Marks/dpa

Es ist die lange erwartete Großoffensive gegen den blauen Dunst: Abstoßende Bilder von erkrankten Organen auf den Schachteln, Warnhinweise, Verbot von Zusatzstoffen und künstlichen Aromen, Aus für schlanke Slim-Zigaretten - wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, sollen die Tabak-Regale der Kioske demnächst wie ein Horror-Kabinett aussehen. "Wir haben es geschafft!", triumphierte EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg, als er gestern die neue Richtlinie zum Umgang mit Tabakprodukten präsentierte. "Da 70 Prozent der Raucher vor dem 18. Lebensjahr anfangen, wird mit dem heutigen Vorschlag angestrebt, Tabakerzeugnisse und das Rauchen weniger attraktiv zu machen."

Eine US-amerikanische Studie bestätigt: Wer bis zum 26. Lebensjahr nicht zur Zigarette gegriffen hat, fängt auch später nicht mit dem Qualmen an. Trotzdem musste der Kommissar seinen Gesetzentwurf an einigen Stellen deutlich entschärfen. So war ursprünglich geplant, Zigaretten weitgehend aus den Auslagen zu verbannen und nur noch unter der Ladentheke zu verkaufen. Da Tabakprodukte aber legal sind, wäre eine solche Vorschrift nicht durchzusetzen gewesen. Und auch die zunächst geplanten grauen Einheitsschachteln ohne Produktbezeichnung werden wohl nicht kommen. Die Welthandelsorganisation geht gerade gegen Australien wegen Eingriffen in das Markenrecht vor. Das wollte Brüssel dann doch nicht riskieren.

Im Visier der europäischen Anti-Raucher-Kampagne stehen vor allem junge Menschen. Ihnen will man mit dem weitgehenden Verbot von Zusatzstoffen wie Menthol die Lust am Nikotin nehmen. "Eigentlich schmeckt Tabak nämlich gar nicht", sagt der Europa-Abgeordnete und Arzt Peter Liese. "Mit Zusatzstoffen wie Menthol wird der unangenehme Geschmack überlagert." Beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg spricht man von rund 8400 Substanzen, die sich im Tabak und im Rauch wiederfinden, von denen mindestens 90 hochgradig krebserregend seien. Zwar ist der Anteil beispielsweise von Menthol-Zigaretten in Deutschland mit 2,9 Prozent relativ niedrig (USA: 27 Prozent). Dennoch rät Kommissar Borg, sich nicht prominente Raucher wie Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt zum Vorbild zu nehmen. "Zigaretten sind das bedeutendste einzelne vermeidbare Gesundheitsrisiko", hieß es gestern in Brüssel. In der EU fallen ihm pro Jahr rund 695 000 Menschen (in Deutschland sind es etwa 110 000) zum Opfer.

Die geplanten Vorschriften gelten zunächst für Zigaretten und Tabak zum Selberdrehen. Ausgenommen sind Pfeifentabak, Zigarillos, Zigarren und bayerischer Schnupftabak. Und auch der schwedische "Snus" darf weiterhin ungehindert gekaut werden. Alle diese Produkte seien keine typischen Tabakwaren, die junge Menschen zum Einstieg nutzen, betonte Borg.

Vertreter der beiden großen Fraktionen im Europäischen Parlament signalisierten bereits Zustimmung zu dem Gesetzespaket, das in zwei Jahren in Kraft treten soll. Und auch von Seiten der Mitgliedstaaten gab es positive Signale. Massiver Widerstand kam dagegen nicht nur von der Tabakbranche, sondern vor allem vom europäischen Steuerzahlerbund. Er befürchtet eine "dramatische Verschiebung" von legalen Tabakprodukten hin zu Schmuggelware. Immerhin 98,7 Milliarden Euro nehmen die 27 Mitgliedstaaten derzeit aus der Tabaksteuer ein. Schon bisher gehen etwa zehn Milliarden durch Schwarzmarkt-Handel verloren. Nun drohten weitere Steuereinbußen, die zum Ausfall zusätzlicher 30 Milliarden Euro führen könnten, teilte der Bund gestern in Brüssel mit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Weihnachtszeit - mit ihr verbindet jeder als erstes Harmonie und Tradition. Die SZ-Serie "Weihnachtsgeschichten" über die Reisbacher Partnergemeinde gleichen Namens in Bayern zeigt jedoch, dass es bisweilen im Advent gerade im alten Brauchtum alles andere
Weihnachtszeit - mit ihr verbindet jeder als erstes Harmonie und Tradition. Die SZ-Serie "Weihnachtsgeschichten" über die Reisbacher Partnergemeinde gleichen Namens in Bayern zeigt jedoch, dass es bisweilen im Advent gerade im alten Brauchtum alles andere