Meilensammeln für den Frieden

Berlin/Minsk · So eine Woche hatte selbst Angela Merkel noch nie. Als Ukraine-Unterhändlerin der westlichen Welt fliegt sie zwischen den verschiedensten Hauptstädten hin und her. Sieben Tage zwischen Krieg und Frieden.

Kiew, Moskau , Washington, Ottawa und heute wohl Minsk . 20 000 Kilometer hat Angela Merkel vergangene Woche zurückgelegt.

Donnerstag, 5. Februar (Berlin , Kiew): Kurz vor Mittag will die Regierung in Berlin darüber informieren, was beim bevorstehenden Washington-Besuch der Kanzlerin wichtig wird. Doch der Termin wird kurzfristig abgesagt. Merkel startet zusammen mit Frankreichs Präsident François Hollande eine Friedensmission für die Ukraine . Noch am Abend trifft sie sich mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko , zusammen mit Hollande. Derselbe Blazer wie in Berlin : hellbraun mit dunklem Kragen. Ein Abendessen zu dritt. Von der Unterhaltung wird kaum etwas bekannt.

Freitag, 6. Februar (Berlin , Moskau ): Zurück im Kanzleramt. Die Kleiderordnung für heute: grauer Hosenanzug, silberne Kette. Nach einem Termin mit dem Iraker Haider al-Abadi sagt sie zum ersten Mal etwas zum Zweck ihrer Bemühungen. "Wir tun das, was wir glauben, was in dieser Stunde unsere Aufgabe ist: nämlich alles, was in unserer Kraft steht, zu versuchen, um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten." Dann geht es nach Moskau . Die meisten Plätze bleiben leer. Am Flughafen ist es schon dunkel. Im Kreml wartet Putin. Er bringt Merkel und Hollande in sein Arbeitszimmer. Nach fünf Stunden ist das Gespräch vorbei. Alle loben die "konstruktive" Atmosphäre. Grundlage für alles Weitere: ein deutsch-französisches Papier, mit dem die Minsker Vereinbarung vom September umgesetzt werden soll. Keine Details.

Samstag, 7. Februar (Moskau , München, Berlin ): Noch in der Nacht geht es nach München zur Sicherheitskonferenz. Auf der Konferenz wird sie mit Applaus empfangen. Die silberne Kette kennt man aus Moskau . Der Blazer ist rot und aus Samt. Alle warten auf ein Zeichen, wie es in Moskau gelaufen ist. Sie sagt: „Auch nach den Gesprächen ist ungewiss, ob sie Erfolg haben.“ Viele sind enttäuscht. Merkel muss ihr Nein zu Waffenlieferungen verteidigen. "Militärisch ist das nicht zu gewinnen, das ist die bittere Wahrheit", sagt die Kanzlerin. Sie wirkt erschöpft. Nachmittags geht es zurück nach Berlin .

Sonntag, 8. Februar (Berlin , Washington): Morgens Telefon-Diplomatie. Merkel spricht mit Hollande, Putin und Poroschenko. Die drei beschließen ein Treffen zu viert, man will sich in Minsk treffen, in Weißrussland. Ein kleiner Hoffnungsschimmer. Um 14.15 Uhr geht es nach Washington. Die Regierungsmaschine ist bequem - die weltpolitische Lage ist es nicht. An oberster Stelle steht die Ukraine-Krise. Mit sechs Stunden Zeitverschiebung landet Merkel in der US-Hauptstadt. Über dem blauen Blazer trägt sie eine Steppjacke. Nach deutscher Zeit um 1 Uhr in der Nacht trifft sie sich mit hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft und Politik.

Montag, 9. Februar (Washington, Ottawa ): Heute trägt Merkel lila. Um 10.15 Uhr begrüßt Obama die Kanzlerin im Oval Office, seinem Dienstzimmer. Um 12 Uhr treten Merkel und Obama vor die Presse. Die Botschaft an Putin: Egal was kommt - ob Waffenlieferungen der USA an die Ukraine , die Merkel ablehnt, oder nicht - Deutschland und die USA stehen Seite an Seite. Später lobt Obama noch Merkels Friedensinitiative: „Wenn es zum Erfolg kommen wird, dann wird das sicherlich auch mit der außerordentlichen Geduld und den Anstrengungen von Bundeskanzlerin Merkel und ihres Teams zu tun haben.“ Am Abend noch ein Abstecher zu Weltbankchef Jim Young Kim. Dann weiter nach Ottawa . Landung um 17.30 Uhr, dann ein Vier-Augen-Gespräch mit Kanadas Regierungschef Stephen Harper . Wieder eine Pressekonferenz. Um 21 Uhr zurück nach Berlin . Kurze Nachbesprechung. Müde sieht sie nicht aus.

Dienstag, 10. Februar (Berlin ): Zurück in Berlin . Ein Tag ohne offizielle Termine. Aber frei hat Merkel nicht. Jetzt geht es darum, das Treffen in Minsk vorzubereiten. Der Friedensplan muss viel detaillierter werden als das Abkommen aus dem vorigen Jahr, damit den verfeindeten Parteien wenig Möglichkeiten bleiben, etwas falsch zu verstehen. Noch ist nicht ganz sicher, ob der Gipfel tatsächlich stattfindet. Wenn, dann soll auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier mitkommen.

Mittwoch, 11. Februar (Berlin , vermutlich Minsk ): Morgens Kabinettssitzung im Kanzleramt, wie jeden Mittwoch. Dann Staatsakt für den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker . Dann der Abflug nach Minsk . Das Ende ist offen.

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HintergrundDas weißrussische Minsk soll nach mehreren Ukraine-Krisentreffen heute auch Ort eines Vierer-Gipfels werden. Weißrussland gilt als letzte Diktatur Europas und vollstreckt als letzes Land auf dem Kontinent noch die Todesstrafe. Regiert wird es vom autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko . Der wegen Menschenrechtsverstößen kritisierte Staatschef hat sich früh als Vermittler angeboten. Er hat einen guten Draht zum ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und zu Wladimir Putin. In Minsk hatten sich unter Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE ) schon früh Vertreter der Ukraine , Russlands und der Separatisten getroffen. Minsk gilt Russen und Ukrainern als neutrales Gebiet. dpa

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