Mehr Zeit für die Pflege kranker Angehöriger

Berlin. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat ihre Pläne für eine Familienpflegezeit konkretisiert. Demnach sollen sich Arbeitnehmer künftig bis zu zwei Jahre lang bei reduzierter Arbeitszeit um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmern können. Die finanziellen Risiken für die Betriebe werden über die staatseigene KfW-Bank und eine Versicherungslösung aufgefangen

 Pflegepersonal bekommt bald einen verbindlichen Mindestlohn. Foto: dpa

Pflegepersonal bekommt bald einen verbindlichen Mindestlohn. Foto: dpa

Berlin. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat ihre Pläne für eine Familienpflegezeit konkretisiert. Demnach sollen sich Arbeitnehmer künftig bis zu zwei Jahre lang bei reduzierter Arbeitszeit um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmern können. Die finanziellen Risiken für die Betriebe werden über die staatseigene KfW-Bank und eine Versicherungslösung aufgefangen.

Für immer mehr Menschen wird die Pflege ihrer Angehörigen zu einem massiven Problem. Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach möchte jeder dritte Berufstätige die Mutter oder den Vater so weit wie möglich selbst betreuen. Aber 79 Prozent gehen davon aus, dass Pflege und Beruf in Deutschland kaum unter einen Hut zu bringen sind. Zwar ist es schon seit zwei Jahren möglich, dass Arbeitnehmer nahestehende Angehörige bis zu sechs Monaten pflegen und sich dafür vom Job ganz oder teilweise freistellen lassen können. Aber während der Pflegezeit erhalten sie kein Gehalt.

Mit ihrem neuen Modell will Familienministerin Schröder sowohl den pflegenden Angehörigen als auch den Arbeitgebern gerecht werden und dabei obendrein noch die Staatskasse schonen. "Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, jedes Problem mit mehr Geld lösen zu können", betonte Schröder gestern in Berlin. Der Plan sieht vor, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit über einen Zeitraum von maximal zwei Jahren bis zur Hälfte reduzieren können, dafür aber 75 Prozent ihres Gehalts beziehen. Nach der Pflegezeit müssten sie wieder voll arbeiten, bekämen aber weiter 75 Prozent des Lohns. Und zwar so lange, bis die überproportionale Vergütung während der Pflegezeit wieder ausgeglichen ist.

In der Praxis soll das Modell nach dem Vorbild der Arbeitszeitkonten funktionieren. In der aktuellen Finanzkrise konnten dadurch viele Entlassungen verhindert werden. Kündigt sich eine Pflegebedürftigkeit länger an, können Arbeitnehmer bereits im Vorfeld "Arbeitszeit" auf diesen Konten ansparen. In aller Regel dürften die Arbeitszeitkonten aber nicht ausreichen, um eine Pflegephase zu überbrücken. Für diesen Fall müsste der Arbeitgeber praktisch eine Lohnvorauszahlung gewähren.

Als die Ministerin Anfang März ihre Pläne erstmals ins Gespräch brachte, kündigte die Wirtschaft dann auch prompt Widerstand an. Schließlich würden die Betriebe auf ihren Kosten sitzen bleiben, wenn ein Arbeitnehmer seine durch die Pflegezeit unterbliebene Arbeit nicht nachholt. Schröder will die Unternehmen deshalb nun mit Ausfallversicherungen und KfW-Krediten für ihr Modell gewinnen. Nimmt ein Arbeitnehmer die Lohnvorauszahlung während der Pflegezeit in Anspruch, muss er eine Pflichtversicherung abschließen, die aber nur bei Berufsunfähigkeit oder Tod zum Zuge kommt. Tritt der Arbeitnehmer aus anderen Gründen seinen Job nicht wieder an, muss er die Lohndifferenz privat begleichen. Als weitere Sicherheit für die Wirtschaft können sich Betriebe die Lohnaufstockung während der Pflegephase auch über ein zinsloses KfW-Darlehen finanzieren lassen. Arbeitet der Beschäftigte nach der Pflegephase wieder Vollzeit, bekommt die KfW das Geld zurück. Lediglich die ausgefallenen Zinsen würden zu Lasten des Familienministeriums gehen. Die Kosten dafür werden mit rund zehn Millionen Euro pro Jahr veranschlagt.

Bis zum Herbst will die Familienministerin ihre Pläne in einen Gesetzentwurf gießen. Ein Inkrafttreten der Neuregelung peilt Schröder für das erste Halbjahr des kommenden Jahres an.

Am Rande

Voraussichtlich zum 1. August wird es für rund 600 000 Pflegekräfte einen gesetzlichen Mindestlohn geben. Er liegt im Osten bei 7,50 Euro und im Westen bei 8,50 Euro je Stunde. Diese Untergrenzen dürfen dann nicht mehr unterschritten werden. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte an, sie werde den von einer Kommission vereinbarten Mindestlohn verbindlich für die gesamte Branche verordnen. "Er wird ab Sommer Wirklichkeit sein." Die Regelung gilt für Beschäftigte in Pflegeheimen oder ambulanten Diensten, die Pflegebedürftigen beim Waschen, Anziehen, Essen oder Gehen helfen.

 Pflegepersonal bekommt bald einen verbindlichen Mindestlohn. Foto: dpa

Pflegepersonal bekommt bald einen verbindlichen Mindestlohn. Foto: dpa

Die Einführung wurde möglich, nachdem Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nachgegeben hatte. Er setzte allerdings eine Befristung durch. Zunächst wollte Brüderle den Mindestlohn nur bis Ende 2011 gelten lassen. In Verhandlungen mit von der Leyen willigte er aber in einen späteren Termin ein. Der Mindestlohn Pflege gilt nun bis Ende 2014. Er wird aber - wie alle anderen Branchen-Mindestlöhne auch - bereits Ende 2011 auf seine Wirkung überprüft. dpa

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