Mehr politische Glaubwürdigkeit: Gauck will weiter mitmischen

Berlin. Egal, wie das Rennen auch ausgeht, fröhlich und gelassen werde er das Ergebnis akzeptieren, hatte der Herausforderer schon bei seiner überraschenden Nominierung versprochen. Und daran hielt er sich auch. Als fairer Verlierer zeigte sich Joachim Gauck, als gestern Abend der Ausgang nach einem über achtstündigen Wahlkrimi in der Bundesversammlung endlich feststand

Berlin. Egal, wie das Rennen auch ausgeht, fröhlich und gelassen werde er das Ergebnis akzeptieren, hatte der Herausforderer schon bei seiner überraschenden Nominierung versprochen. Und daran hielt er sich auch. Als fairer Verlierer zeigte sich Joachim Gauck, als gestern Abend der Ausgang nach einem über achtstündigen Wahlkrimi in der Bundesversammlung endlich feststand. Dass für die Kür von Christian Wulff gleich drei Wahlgänge erforderlich sein würden, damit hatte auch er vorher nicht gerechnet. Doch der pensionierte Pfarrer ging mit viel Gottvertrauen und dem notwendigen Selbstbewusstsein in die Entscheidung. Immerhin hatte die Verdienste des Bürgerrechtlers niemand in so hohen Tönen gelobt wie noch vor wenigen Monaten Angela Merkel. Dass der eine oder andere Unions-Delegierte, der gestern für Gauck stimmte, sich nun daran erinnerte, brachte die Kanzlerin vorübergehend in einige Probleme. Gemeinsam mit dem siegreichen Wulff will der Theologe an diesem Freitag das Sommerfest im Schloss Bellevue besuchen. Das hatten beide, so oder so, schon vor der Wahl verabredet. Danach zieht sich Gauck für einige Zeit in seine mecklenburgische Heimat zurück. Im Haus seiner Großeltern in Wustrow, wo seine Schwester eine Pension betreibt, will der 70-Jährige nach den zurückliegenden kräftezehrenden Wochen ausspannen. Segeln, Bücher lesen und mit dem Fahrrad oder zu Fuß den Ostseestrand abstrampeln, hat er sich vorgenommen. Spätestens danach wird man wieder von ihm hören. Er werde weiter kräftig mitmischen, kündigte Gauck kampfbereit an. Die von ihm mit angestoßene Debatte über mehr Bürgernähe und Glaubwürdigkeit der Politik dürfe jetzt nicht einfach aufhören. Dies erwarteten seine vielen Unterstützer von ihm. Als Vortragsreisender in Sachen Freiheit war Gauck schon vor seiner Kandidatur im In- und Ausland gefragt. Wegen des Wahltermins in Berlin hatte er einen schon länger gebuchten Auftritt in den Niederlanden abgesagt. Sein Bekanntheitsgrad hat sich nach der Welle der Begeisterung, die in Teilen der deutschen Öffentlichkeit fast über Nacht über ihn hereinbrach, auch jenseits der Grenzen schlagartig vergrößert. Von dem "Dissidenten-Helden mit den silbernen Haaren", der Köpfe und Herzen vieler seiner Landsleute im Handstreich eroberte, berichteten englischsprachige Weltblätter. Der geballte Zuspruch aus diversen politischen Lagern hat seinem durchaus ausgeprägtem Ego sicher gut getan. Und Gauck weiß genau, dass in nächster Zeit weiter mit viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit auf ihn gehört wird. Welche Bühne er letztlich dafür nutzen will, um sein Renommee als "moralische Instanz" vielleicht noch zu steigern, darauf warten vor allem viele seiner jungen Anhänger gespannt. Diesen Respekt und diese Zuneigung muss sich Wulff wie die meisten seiner Vorgänger erst noch mühsam erarbeiten - gerade nach der mühevollen und wenig glanzvollen Wahl. Und zumindest auf mittlere Sicht dürfte der 51-Jährige vor allem an Gauck gemessen werden, wenn gefragt wird, wer als Staatsoberhaupt denn besser und überzeugender sei. Besteht der neue Hausherr im Schloss Bellevue diesen Test nicht, droht ihm in dem fast 20 Jahre älteren Gauck ein heimlicher Gegenpräsident zu erwachsen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
BundespräsidentenwahlDer Bundespräsidentenkandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, zeigte sich nach der Wahl Christian Wulffs als fairer Verlierer. Im Saarland sehen SPD, Grüne und Linke die schwarz-gelbe Regierungskoalition durch die Zitterwahl geschw
BundespräsidentenwahlDer Bundespräsidentenkandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, zeigte sich nach der Wahl Christian Wulffs als fairer Verlierer. Im Saarland sehen SPD, Grüne und Linke die schwarz-gelbe Regierungskoalition durch die Zitterwahl geschw
Aus dem Ressort