Mehr als ein Trostpflaster"Die Rentenkasse ist nicht in Gefahr"

Würzburg. Das ist doch mal eine gute Nachricht. Und Herbert Rische machte es sichtlich Freude, die Katze aus dem Sack zu lassen: Voraussichtlich knapp 2,3 Prozent mehr gibt es Mitte kommenden Jahres für die gut 16 Millionen Rentner im Westen

 Mit der Rentenanhebung brechen noch längst keine goldenen Zeiten für die Rentner an. Foto: dpa

Mit der Rentenanhebung brechen noch längst keine goldenen Zeiten für die Rentner an. Foto: dpa

Würzburg. Das ist doch mal eine gute Nachricht. Und Herbert Rische machte es sichtlich Freude, die Katze aus dem Sack zu lassen: Voraussichtlich knapp 2,3 Prozent mehr gibt es Mitte kommenden Jahres für die gut 16 Millionen Rentner im Westen. 3,2 Prozent Zuschlag für die vier Millionen Ruheständler im Osten, verkündete der Präsident der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine seit Tagen mit Spannung erwartete Botschaft. Es klang wie ein befreiender Paukenschlag. Noch vergangene Woche wollten Kundige von einer Rentenerhöhung von lediglich gut 1,5 Prozent wissen. Das wäre wieder klar unter der Preisentwicklung von derzeit etwa 2,6 Prozent geblieben - und hätte den seit Jahren andauernden Kaufkraftschwund der Rentner durch Inflation und steigende Krankenkassenbeiträge einfach weiter fortgesetzt. Nur unverbesserliche Optimisten erwarteten, dass die Konjunktur nach der Finanz- und Wirtschaftskrise des Jahres 2008 so schnell wieder Tritt fassen würde. Von Beschäftigung und Entwicklung der Einkommen aber sind die Renten abhängig. Die Renten-Nullrunde zur Jahresmitte 2010 schien zunächst keine Eintagsfliege zu sein. Doch das Jobwunder mit Rekord-Beschäftigung und einem Tiefstand der Arbeitslosigkeit ließ die Einnahmen der Rentenkassen in einem Maße sprudeln, dass für die Beitragszahler sogar noch eine kleine Entlastung abfällt. Mit Risches Renten-Prognose ist auch ein anderer Effekt verbunden: Die Rentenlücke zwischen Ost und West schmilzt. Denn die Ost-Rentner sollen prozentual mehr bekommen. Beispiel: Bei einer Monatsrente von 900 Euro gibt es im Westen voraussichtlich 20,70 mehr, im Osten aber 28,80. Je mehr Rente, desto größer die Differenz: Bei 1500 Euro Rente bekommt der Westrentner 34,50 Euro mehr, der Kollege im Osten 48 Euro.

Kein Inflationsausgleich

Auch wenn die Rentner nun weit besser als gedacht bedient werden: Goldene Zeiten brechen für sie damit nicht an, weiß auch der DRV-Chef. Den West-Rentnern winkt auch diesmal kein Inflationsausgleich. Und der Kampf gegen zunehmende Altersarmut bei Niedrigverdienern ist auch noch nicht gewonnen. Derzeit sind etwa 2,4 Prozent der Rentner auf staatliche Fürsorge angewiesen.

Würde die Einkommenserholung ungeschmälert weitergegeben, wäre für die Ruheständler 2012 immerhin eine deutlich stärkere Rentenerhöhung herausgekommen. Im Osten plus 4,7 Prozent, im Westen plus 4,55 Prozent. Rein rechnerisch trägt diesmal dazu mit plus zwei Prozent auch der sogenannte Nachhaltigkeitsfaktor bei. Und zwar weil sich das Verhältnis von Rentnern und Beschäftigten im Aufschwung klar verbessert hat. Er war ursprünglich als dämpfender Faktor in die Rentenformel eingebaut worden. Im Wirtschaftsboom wirkt er nun aber in die andere Richtung.

Gegengerechnet wird bei der anstehenden Rentenanpassung jedoch noch der Riester-Faktor von 0,65 Prozent sowie ein aus den Vorjahren vorhandener "Abbaubedarf": Er hatte sich aus nicht vorgenommenen Rentenkürzungen und außerplanmäßigen Rentenerhöhungen aufgebaut. Auf diesem "Minuskonto" stehen im Westen derzeit noch 2,85 Prozent zur Verrechnung, im Osten 1,43 Prozent. Um diese Sätze sind die Renten wegen der Schutzklausel gegen Minusrunden derzeit zu hoch. Mit der Erhöhung 2012 ist dieser Überhang im Osten dann abgebaut, im Westen werden die noch verbliebenen 0,64 Prozent mit der Rentenerhöhung 2013 abgestottert sein.

Spätestens dann, so ist DRV-Präsident Rische überzeugt, werden die Rentenanpassungen "wieder enger an die Lohnentwicklung geknüpft" sein. Herr Rische, viele Bürger bangen wegen der Euro-Krise auch um ihre Alterssicherung. Können Sie ihre Ängste zerstreuen?

Rische: Ganz klar, die gesetzliche Rentenkasse ist nicht in Gefahr. Gerade in Krisenzeiten erweist sich das Umlageverfahren, also die fortlaufende Beitragsfinanzierung der Rente, als sicher und zukunftsfähig. Allerdings weiß noch keiner, ob und wie sich die Euro-Krise auf die Realwirtschaft auswirken wird. Sollte die Arbeitslosigkeit wachsen und das Lohnniveau sinken, hätte das sicher auch Folgen für die Renten.

Was geschieht nun mit dem Rentenversicherungsbeitrag?

Rische: Das Gesetz sieht vor, dass der Beitrag bei einer Rücklage von mindestens 1,5 Monatsausgaben in der Rentenkasse gesenkt werden muss. Durch die sehr gute Situation bei den Einnahmen wird das erstmals seit zehn Jahren wieder der Fall sein. 2012 sinkt der Beitrag von 19,9 auf 19,6 Prozent.

Nun wird in Deutschland viel über Altersarmut diskutiert. Ist eine Beitragssenkung da nicht paradox?

Rische: Natürlich wäre es vorstellbar, Rentenbeiträge weiter anzusammeln. Ich halte davon wenig. Denn in der Regel war es immer so, dass bei größeren Rücklagen politische Begehrlichkeiten geweckt wurden. Dies führte zu neuen Leistungen, die auf Dauer schwer zu finanzieren sind. Insofern bin ich für knappe Finanzspielräume. Das sorgt für Ausgabendisziplin.

Trotzdem bleibt Altersarmut ein wichtiges Thema. Arbeitsministerin von der Leyen will Niedriglöhnern künftig eine Zuschussrente von 850 Euro im Monat garantieren. Eine gute Idee?

Rische: Das kommt darauf an, was man will: Wenn das Ziel darin besteht, Altersarmut zu bekämpfen, dann ist das sicher nicht der Königsweg. Für die wirklich von Altersarmut Betroffenen scheidet die Zuschussrente in vielen Fällen aus, weil die Hürden, also viele Versicherungsjahre und eine private Vorsorge, sehr hoch sind. Wenn die Zuschussrente jedoch darauf abzielt, Geringverdiener zur privaten Vorsorge zu animieren, dann erfüllt sie diesen Anspruch zweifellos.

Kann die Rentenversicherung überhaupt noch einen wirksamen Schutz vor Altersarmut bieten, oder ist sie damit überfordert?

Rische: Die Rentenversicherung ist natürlich nicht der Nabel der Welt. Dass Altersarmut zum Beispiel im Niedriglohnbereich entsteht, hat sie nicht zu verantworten. Das ist Sache der Lohnfindung durch die Tarifpartner. Denn nur bei ausreichenden Löhnen ist eine auskömmliche Alterssicherung inklusive privater Vorsorge möglich.

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