Massenoperationen wegen defekter Brust-Implantate?

Paris. Ein Skandal um defekte Brustimplantate aus Frankreich könnte zu einer beispiellosen Aktion führen. Nach Informationen der Tageszeitung "Libération" könnten französische Gesundheitsbehörden Ende der Woche 30 000 Frauen aufrufen, sich die Silikonkissen wieder herausoperieren zu lassen

Paris. Ein Skandal um defekte Brustimplantate aus Frankreich könnte zu einer beispiellosen Aktion führen. Nach Informationen der Tageszeitung "Libération" könnten französische Gesundheitsbehörden Ende der Woche 30 000 Frauen aufrufen, sich die Silikonkissen wieder herausoperieren zu lassen. Acht Trägerinnen der von der Firma Poly Implants Prothèses (PIP) hergestellten Implantate sollen an Krebs erkrankt, zwei bereits gestorben sein.Regierungssprecherin Valérie Pécresse kündigte einen Aktionsplan an und forderte alle betroffenen Frauen auf, ihren Chirurgen zu kontaktieren. Die 1991 in der Nähe von Toulon in Südfrankreich gegründete Firma PIP war zwischenzeitlich der weltweit drittgrößte Hersteller von Brustimplantaten. 80 Prozent ihrer Jahresproduktion von 100 000 Implantaten exportierte sie ins Ausland - auch nach Deutschland. Anfang letzten Jahres verboten die französischen Gesundheitsbehörden jedoch ihre Produkte, da PIP seit 2006 nicht das dafür vorgesehene Silikon-Gel verwendet haben soll. Stattdessen soll die Firma ein wesentlich billigeres, eigentlich für die Industrie vorgesehenes Gel benutzt haben. Daher reißen die PIP-Implantate offenbar leichter als die Produkte der Konkurrenz. Das durch die Risse austretende Gel soll zu Entzündungen führen.

Die Staatsanwaltschaft Marseille leitete inzwischen ein Untersuchungsverfahren gegen das Ende 2010 aufgelöste Unternehmen wegen des Verdachts auf Körperverletzung und fahrlässiger Tötung ein. Die konservative Regierung hat nun eine Expertengruppe eingesetzt, die über das weitere Vorgehen beraten und am Freitag eine Empfehlung abgeben soll. Denn noch ist kein Zusammenhang zwischen den PIP-Implantaten und den Krebserkrankungen der Trägerinnen bewiesen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass die Silikon-Kissen aus medizinischen Gründen wieder herausgenommen werden müssen, würde die staatliche Krankenkasse die Kosten übernehmen, sagte Regierungssprecherin Pécresse. Eine solche Operation kostet zwischen 300 und 900 Euro. Unklar ist jedoch, ob die Krankenkasse anschließend auch das Einsetzen neuer Implantate übernehmen wird. Der Preis dafür beginnt bei 600 Euro, kann jedoch bis auf 8000 Euro steigen, wenn der Eingriff in einer Privatklinik vorgenommen wird. 80 Prozent der Französinnen, die PIP-Implantate tragen, haben sich den Busen aus ästhetischen Gründen vergrößern lassen, der Rest ließ den Eingriff nach einer Brustkrebserkrankung vornehmen. Im Idealfall sollten allen 30 000 französischen Trägerinnen die defekten Silikonkissen 2012 herausgenommen werden, erklärt Chirurg Laurent Lantieri, der der jetzt eingesetzten Expertengruppe angehört. "Es besteht aber keine Eile, die Patienten befinden sich nicht in akuter Todesgefahr."

Hintergrund

Auch im Saarland wurden Implantate des französischen Herstellers PIP in mindestens einer Arztpraxis eingesetzt. Das teilte das Gesundheitsministerium gestern auf SZ-Anfrage mit. Der Mediziner sei bereits 2010 vom Ministerium kontaktiert worden, nachdem sein Name auf der Kundenliste von PIP aufgetaucht war. Der Arzt habe daraufhin betroffene Patientinnen zur Nachuntersuchung einbestellt. Sie würden auch weiterhin regelmäßig untersucht. Zudem sei seinerzeit die Ärztekammer über die Probleme mit den Implantaten informiert worden. tho

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