Mann mit Rückgrat

Mailand · Der Verfassungsrichter Sergio Mattarella ist zum neuen Präsidenten Italiens gewählt worden. Er wird morgen in seinem Amt vereidigt. Mattarella tritt die Nachfolge von Giorgio Napolitano an.

Sergio, wer? Als Regierungschef Matteo Renzi überraschenderweise schon am Donnerstag Sergio Mattarella (73) als Kandidaten für das höchste Amt im Staat vorschlug, fragten sich einige der jüngeren Abgeordneten, wer dieser Mann eigentlich sei. Und genauso erging es einem Teil der Bevölkerung. Nur die über 40-jährigen Italiener erinnern sich an das "Mattarellum", das Wahlreformgesetz von 1993. Seit Jahren hatte man von ihm aber nichts mehr gehört. Mattarella war 2008 aus dem Abgeordnetenhaus ausgeschieden. 2011 wurde er zum Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gewählt, in der Öffentlichkeit ließ er sich aber kaum mehr blicken.

Das wird jetzt anders. Mattarella ist Italiens neues Staatsoberhaupt. Gewählt wurde er Samstag mit 665 Stimmen, 160 mehr als die im vierten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit. Auf so eine breite Zustimmung hätte nicht jeder gewettet.

Auch während seiner 25-jährigen politischen Tätigkeit - drei Mal war Mattarella Minister - vermied er schrille Töne und lautes Auftreten. Eine Zurückgezogenheit, die aber über seine Fähigkeiten nicht täuschen sollte. Das politische Curriculum zeugt von einem Mann mit Rückgrat, der den Kompromiss wenn nötig hartnäckig verfolgte - aber nicht um jeden Preis. Denn in seinen Augen ist der Respekt vor den Verfassungsgrundsätzen das höchste Gut der Nation.

Sergio Mattarella, 1941 in Palermo geboren, ist promovierter Jurist. Sein Vater war einer der mächtigen Vertreter der Christdemokratischen Partei (DC) in Sizilien. In dessen Fußstapfen trat der ältere Sohn Piersanti, der mit 43 Jahren Präsident der Region Sizilien wurde. Doch dann versuchte die Mafia , ihn für sich zu gewinnen. Als er sich widersetzte, wurde er am 6. Januar 1980 kaltblütig ermordet. Dieses tragische Ereignis war der Wendepunkt für seinen Bruder Sergio.

Die Mafia sollte nicht das letzte Wort gehabt haben und so trat er in die Politik ein. 1984 schickten ihn die Christdemokraten zurück nach Sizilien, um die DC von den Machenschaften der organisierten Kriminalität zu säubern. Mattarella gilt als integre Person. Als Anfang der 90er ein Schmiergeldskandal Italiens Parteien wegfegte und zig Politiker vor Gericht brachte, gehörte Mattarella zu den wenigen, die eine weiße Weste vorweisen konnten. Die jüngeren Generationen verdanken ihm die Abschaffung der Wehrpflicht und den Eintritt der Frauen in Italiens Streitkräfte.

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