Man spricht (ein bisschen mehr) Deutsch

Brüssel. Gesucht werden Dolmetscher, vor allem für Deutsch. Und Englisch. Noch sind die Ausschreibungen für die entsprechenden Stellen des neuen Auswärtigen Dienstes der EU nicht geschrieben. Aber seit gestern steht fest: Deutsch soll aufgewertet werden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sei Dank

Brüssel. Gesucht werden Dolmetscher, vor allem für Deutsch. Und Englisch. Noch sind die Ausschreibungen für die entsprechenden Stellen des neuen Auswärtigen Dienstes der EU nicht geschrieben. Aber seit gestern steht fest: Deutsch soll aufgewertet werden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sei Dank. Deutschlands oberster Diplomat, der sich im Zweifel lieber auf eine gute Übersetzung als auf anglophiles Herumstolpern verlässt, hatte schon früh die neue europäische "Außenministerin" Catherine Ashton per Brief genervt: "Wir legen Wert auf die angemessene Berücksichtigung der deutschen Sprache im Europäischen Auswärtigen Dienst", heißt es in seinem Schreiben vom Februar. Als die EU-Außenamtschefs gestern in Brüssel zu ihrer ersten Sitzung zusammenkamen, bei der Ashton erstmals ein Konzept über ihr 8000 Mitarbeiter starkes Amt vorlegte, fehlten zwar verbindliche Aussagen zum so genannten Sprachenregime. Aber dafür gab es einen Brief an den Berliner Kollegen, in dem sie immerhin zusicherte, die Sprache Goethes werde eine "zentrale Rolle" spielen. "Deutsch ist die meist gesprochene Muttersprache der EU und wird schon aus diesem Grund im Auswärtigen Dienst prominent vertreten sein", meinte Ashton. Konkret: Dokumente werden in Deutsch vorgelegt und Bürgeranfragen "auch in der Sprache beantwortet, in der sie gestellt wurden". Das klingt besser, als es ist. Denn genau genommen hat die Baronin nicht mehr getan, als den Lissabonner Reformvertrag abzuschreiben. Dort wurden eben diese Zusagen bereits festgehalten. Alle weitergehenden Erwartungen aber lehnte sie ab: Sowohl die Forderung Westerwelles nach profunden Deutschkenntnissen als Einstellungsvoraussetzung für den diplomatischen Dienst wie auch sein Vorstoß, die Muttersprache jedes fünften EU-Bürgers im normalen Arbeitsalltag der Mitarbeiter zu verwenden, sind vom Tisch. Da bleibt es bei Englisch und/oder Französisch. Mutmaßlich wohl eher Ersteres. Erst vor kurzem hatte sich Lady Ashton nach einigen beispiellosen Patzern bei dem Versuch, Französisch zu sprechen, eine Einladung zu einem Sprachkurs der Pariser Regierung eingehandelt. Ihr Deutsch sei, so gibt sie selbst zu, noch schlechter. Dabei bemüht man sich in den EU-Institutionen heftig, jeden Anflug von Deutschfeindlichkeit zu vermeiden. Das Problem seien vielmehr die sich aus der Sprachenvielfalt ergebenden Kosten für Übersetzungen und Konferenz-Dolmetscher. Es gibt derzeit 23 offizielle EU-Sprachen, was nach Angaben des finnischen Generaldirektors für Übersetzungen, Juhani Lönnroth, 506 verschiedene Übersetzungskombinationen möglich macht. Die 2500 Übersetzer, zu denen noch die Dolmetscher für die laufenden Beratungen hinzukommen, müssen pro Jahr rund zwei Millionen Seiten übersetzen. Kosten von rund 166 Euro pro DIN-A4-Blatt läppern sich so zu einer Summe von 1,1 Milliarden Euro zusammen, die im Gemeinschaftsetat bis 2013 eingeplant sind. Vorausgesetzt, es gibt keine weiteren Beitritte (und Sprachen). Dann wird's teurer. Trotzdem kämpfen Bundesregierung und Bundestag seit Jahren für mehr Berücksichtigung der Sprache Goethes und Schillers. Bundestagspräsident Norbert Lammert ließ sich zu der Drohung hinreißen, das Parlament werden demnächst die Beratung von Dokumenten ablehnen, sollten diese nicht in Deutsch vorgelegt werden. Doch allen Bemühungen zum Trotz geben die Vertreter der Bundesrepublik in Brüssel nicht selten ein höchst fragwürdiges Bild ab. Als ob sie ihre Reifeprüfung für das internationale Parkett abgeben wollten, sprechen viele plötzlich bei offiziellen Anlässen Englisch. Da ist es kein Wunder, dass die Kommission wenig Lust verspürt, das Deutsche aufzuwerten. Meinung

Der Gipfel der Ironie

Von Detlef Drewes Deutsch ist nicht modern. Unserer Sprache haftet international das Etikett einer gewissen Provinzialität an. Doch Sprache ist auch ein Symbol. Und bei allem Respekt vor dem EU-Motto "In Vielfalt geeint" - wenn es ans Bezahlen geht, bekommt das größte Land auch immer den dicksten Batzen hingeschoben. Bei der Arbeitssprache gelten plötzlich andere Kriterien. Nachzuvollziehen ist das nicht. Der Gipfel der Ironie besteht ja darin, dass 20 Prozent der Lasten für das Übersetzen in andere Sprachen aus den Berliner Beiträgen finanziert werden. Wir zahlen also für die Benachteiligung unserer Sprache mit. Deshalb sollte sich Westerwelle auch nicht mit einer Antwort abspeisen lassen, die kaum mehr als unverbindlich ist.

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