Neues CDU-Programm „Mädchen für alles“ und Chefstrategin

Saarbrücken · Früher Ministerpräsidentin, heute Generalsekretärin: Annegret Kramp-Karrenbauer ist wieder im Saarland. Allerdings nur zur Stippvisite. Dabei besuchte sie auch die SZ-Redaktion.

Die schwerste von allen Entscheidungen sei gewesen, das Saarland zu verlassen, sagte die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrem Besuch in der SZ-Redaktion. Derzeit ist sie auf Zuhör-Tour durch die Republik für ein neues CDU-Grundsatzprogramm.

Die schwerste von allen Entscheidungen sei gewesen, das Saarland zu verlassen, sagte die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrem Besuch in der SZ-Redaktion. Derzeit ist sie auf Zuhör-Tour durch die Republik für ein neues CDU-Grundsatzprogramm.

Foto: Oliver Dietze

Kurt Biedenkopf – unter Helmut Kohl selbst einmal Generalsekretär der CDU – bezeichnete Annegret Kramp-Karrenbauer einmal als selbstständige Person, die ihren eigenen Kopf habe und wisse, wie man Politik mache. Mit anderen Worten: AKK, wie man sie inzwischen auch bundesweit nennt, klebt nicht am Rockzipfel der Kanzlerin, auch wenn man ihr in der Vergangenheit häufig große Nähe zu Angela Merkel nachsagte. Äußerlich scheint sie nach fast 100 Tagen der umtriebige Politikbetrieb in der Hauptstadt kaum verändert zu haben. Im Redaktionsgespräch der Saarbrücker Zeitung wirkt sie dann aber doch ein wenig nachdenklicher, zurückgenommener als früher. Jedenfalls nicht wie eine, die nur auf ihre Chance wartet, bundespolitisch auf den Putz zu hauen, wie das Generalsekretäre oft gerne tun. Nein, ihr eignes Profil, betont sie denn auch, wolle sie vorerst gar nicht schärfen. Ihr Blick sei ganz und gar auf die Partei gerichtet. Dass sie in Berlin im Ernstfall aber auch „Attacke kann“, zeigte unter anderem die scharfe Forderung an die SPD, die von der Union geplanten Ankerzentren für Asylverfahren zu unterstützen. Oder ihre vehement geäußerte Ablehnung von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland und ihre öffentliche Auseinandersetzung mit der AfD, der sie in Teilen ein rechtsradikales Profil zuschreibt. Sie kann also Attacke, aber kann sie auch Kanzlerin? Über eigene Ambitionen für das Jahr 2021 ist ihr an diesem Tag in Saarbrücken nicht ein klitzekleines Wort zu entlocken – sie lässt die Republik weiter rätseln.

Mit den Politiker-Kollegen geht sie an diesem Freitag besonders pfleglich um – nicht nur mit denen aus den eigenen Reihen. Ob es nun Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist, der unter anderem mit seinen Einlassungen zu Hartz IV aneckte, oder Alexander Dobrindt von der Schwesterpartei CSU, der kürzlich mit seiner „Anti-Abschiebe-Industrie“ für gewaltiges Rumoren sorgte – AKK nimmt sie aus dem Feuer, spricht vom Problem der „Tonalität“, im Fall Dobrindt auch von Wahlkampfrhetorik vor dem bevorstehenden Urnengang in Bayern. Dorthin verbannt sie auch den Kreuzpflicht-Vorstoß von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der dies als „Bekenntnis zur Identität“ verkaufte. „Ich kann mit der Begründung  nichts anfangen, für mich ist das Kreuz immer noch ein religiöses Symbol“, meint sie. Ob hinter den Kulissen harschere Worte fallen? Sie verrät es nicht. Freilich werde miteinander gesprochen, die Generalin sieht ihre Aufgabe aber auch darin „zu kompensieren“.

Kommt sie nun deswegen eher „geschmeidig“ rüber als „kantig“, wie etwa der ambitionierte Parteikollege Spahn, der wenig Skrupel zeigt beim Versuch, der Union seinen (konservativen) Stempel aufzudrücken? „Das ergibt sich auch ein bisschen aus der Physiognomie von uns beiden“, deutet die Generalin solche Etikettierungen. Vielleicht wirke es deshalb so, weil sie ihre Aufgabe eher darin sehe zuzuhören. Befindet sich Kramp-Karrenbauer, die sich selbst innerparteilich als eine Mischung aus „Mädchen für alles“ und „Chefstrategin“ bezeichnet, doch gerade auf Zuhör-Tour quer durch die Republik (Saarbrücken ist ihre elfte Station). Dort ist sie ganz nah an der Parteibasis, um am Ende aus den Ergebnissen ein neues Grundsatzprogramm für die CDU zu stricken, weil das letzte von 2007 völlig überholt sei. So war da beispielsweise von Digitalisierung noch keine Rede, dafür aber von der Wehrpflicht und den transatlantischen Beziehungen, die mit Donald Trump derzeit auf der Kippe stehen. „Wir müssen unsere Werte, unsere Grundlinien neu aufstellen. Einen roten Faden zu finden, ist heute viel schwieriger geworden“, sagt sie. Die aktuelle Situation der großen Volksparteien, insbesondere auch die der SPD, bereitet Kramp-Karrenbauer denn auch massives Kopfzerbrechen. Programmbasierte Parteien stünden stark unter Druck. Nicht allein in Deutschland. Deshalb sehe sie es als ihre strategische Aufgabe, die CDU „in einer Zeit, in der es in vielen anderen Ländern die Hinwendung zu personenorientierten Sammlungsbewegungen gibt, in einen Zustand zu bringen, der es ihr möglich macht, im Jahr 2021 wieder eine Bundestagswahl zu gewinnen und wieder regieren zu können“. Einfacher ausgedrückt heißt das für sie: 40 Prozent müssen der Maßstab sein, nicht 30.

Chefstrategin also, nicht Ministerin. War das wirklich ihre erste Wahl? Das Bildungsministerium habe ihr schon in der Nase gesteckt, bekennt sie. Doch habe sie selbst die Position der Generalsekretärin ins Gespräch gebracht, nicht zuletzt „weil die Partei der Pfeiler ist, der im Moment am meisten unter Druck ist“. Und wie zumutbar wären für die Bundespolitik zudem drei Minister aus dem kleinen Saarland gewesen? „Ich wollte, dass Peter Altmaier auf jeden Fall im Kabinett bleibt“, sagt Kramp-Karrenbauer. Die schwierigste Entscheidung jedoch sei der Abschied von der saarländischen Politik gewesen. Wären die Verhältnisse hierzulande „nicht stabil gewesen, hätte es beispielsweise noch eine Jamaika-Koalition gegeben, hätte ich das nicht gemacht“.

Beneidet sie Heiko Maas, den Saarländer, der jetzt als Außenminister durch die Welt jettet, während sie nun von Radebeul bis Dieburg auf Tour ist? Nein, meint die CDU-Generalin, die Maas als „guten Außenminister“ lobt. „Es sind zwar andere Bühnen, auf denen wir unterwegs sind“, aber letztlich müssten auch außenpolitische Entscheidungen immer innenpolitisch rückgekoppelt sein, erklärt sie. „Außerdem habe ich manchmal das Gefühl: Ich habe die besseren Gesprächspartner.“

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