Macrons erste Schlacht für Reformen

Paris · Frankreichs Präsident will das Arbeitsrecht komplett umbauen. Das kommt bei den Gewerkschaften nicht gut an. Aber es gibt noch mehr „Aufmüpfige“.

Der Sommer könnte heiß werden in Frankreich. Nicht nur auf dem Thermometer, sondern auch auf der Straße. Denn gegen die Arbeitsrechtsreform von Präsident Emmanuel Macron formiert sich bereits Widerstand. "Das Arbeitsgesetz aufzuweichen bedeutet nicht, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen", kritisierte der Chef der kommunistischen Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, im "Journal du Dimanche". Macron empfing Martinez ebenso wie die Vertreter der anderen Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen gestern zu einem ersten Gespräch.

Der Staatschef drückt bei seinem ersten großen Projekt aufs Tempo, denn schon in drei Wochen sind Parlamentswahlen und das neue Arbeitsgesetz bestimmt bereits den Wahlkampf. Gerade der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon zieht gegen die Reformpläne des einstigen Bankiers Macron zu Felde. "Man hat das Arbeitsministerium geschaffen, um die Arbeitnehmer zu schützen, und nicht, um ihnen ihre Rechte zu nehmen", wetterte der Chef der Bewegung "La France Insoumise" (Das aufmüpfige Frankreich) tags zuvor bei einer Wahlkampfveranstaltung in Paris. In seinem Widerstand gegen das neue Arbeitsrecht könnte Mélenchon mit Gewerkschaften wie der CGT paktieren, und so versuchen, Frankreich lahm zu legen.

Vor einem Jahr hatte eine erste Reform des Arbeitsrechts vor der Fußball-EM zehntausende Menschen auf die Straße gebracht. Die Blockade von Treibstofflagern machte damals den Sprit an den Tankstellen knapp, sodass tagelang Chaos herrschte. Macron hatte im Wahlkampf angekündigt, die umstrittenen Maßnahmen der damaligen Arbeitsministerin Myriam el Khomri noch deutlich weiter zu führen, um so die Unternehmen zu Neueinstellungen zu ermutigen. So will er ein Limit für die üppigen Entschädigungen bei Entlassungen vor dem Arbeitsgericht durchsetzen. Außerdem sollen Betriebsvereinbarungen künftig nicht nur die Arbeitszeit regeln können, sondern auch heikle Fragen wie das Gehalt. Als dritte Maßnahme plant Macron eine Vereinfachung der Regelung für Mitarbeitervertretungen, unter der derzeit vor allem kleine Firmen leiden.

Am liebsten würde der Präsident noch vor den Sommerferien vom neu gewählten Parlament ein Gesetz verabschieden lassen, das ihm erlaubt, per Verordnung die Maßnahmen durchzusetzen. Doch genau dagegen protestieren die Gewerkschaften, und zwar nicht nur die radikale CGT, sondern auch die gemäßigte CFDT. Aber der einstige Wirtschaftsminister will sich langwierige Parlamentsdebatten ersparen, wie er sie selbst um sein Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft geführt hat. Nach 500 Stunden Debatte wurde die "Loi Macron" 2015 am Parlament vorbei in Kraft gesetzt, da der damaligen sozialistischen Regierung eine Abstimmungsniederlage drohte.

"Sobald die Gespräche vorbei sind, muss es schnell gehen. Wir können nicht zwei Jahre warten, bis wir diese Aufgabe beendet haben", sagte Regierungschef Edouard Philippe dem "Journal du Dimanche". Die Gewerkschaften fürchten, dass die Maßnahmen in den Sommerferien in Kraft treten, wenn ihre Mitglieder in Urlaub sind, sodass kaum protestiert werden kann. Auch deshalb fordern Martinez und Co., aus der Reform das Tempo herauszunehmen.

Doch für Macron hängt an dem Projekt der Erfolg seiner gerade erst begonnenen Präsidentschaft. Bei seinem politischen Ziehvater François Hollande hatte er als Wirtschaftsberater erlebt, welche fatalen Folgen es haben kann, Reformen nicht zu Beginn der Amtszeit anzugehen. Im Gegensatz zu Hollande hat sein Nachfolger die ersten Tage im Amt gut überstanden. Seine Zustimmungsrate lag mit 62 Prozent höher als die vieler anderer Präsidenten vor ihm. "Die Franzosen zeigen dem Staatschef gegenüber eine wohlwollende Erwartungshaltung", sagt Frédéric Dabi vom Ifop-Institut. Nun muss Macron aber abliefern.

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