Machtkampf der Diplomaten

Brüssel. Als EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton gestern den 27 Außenministern der Gemeinschaft zum ersten Mal ein Organigramm des neuen Auswärtigen Dienstes der EU vorlegte, hatten die meisten das Papier schon verrissen, noch bevor sie es kannten. Im Zentrum des Krachs steht das, was Ashton nur mit zwei Buchstaben gekennzeichnet hat "SG": Generalsekretär (Secretary General)

Brüssel. Als EU-Chefdiplomatin Catherine Ashton gestern den 27 Außenministern der Gemeinschaft zum ersten Mal ein Organigramm des neuen Auswärtigen Dienstes der EU vorlegte, hatten die meisten das Papier schon verrissen, noch bevor sie es kannten. Im Zentrum des Krachs steht das, was Ashton nur mit zwei Buchstaben gekennzeichnet hat "SG": Generalsekretär (Secretary General). Abgesehen von der EU-Außenministerin säße der Mann an allen Hebeln der Macht, die der künftige, 8000 Mitarbeiter starke, diplomatische Dienst Europas zu bieten hat.Doch die Kritik kommt aus allen politischen Lagern. "Das ist zu 98 Prozent ein französisches Modell und damit die Fortsetzung der französischen Außenpolitik mit anderen Mitteln", warnt der liberale Europa-Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Paris will zur Vorsicht gleich zwei erfahrene Politiker ins Rennen um den Job schicken. Doch sie bekommen harte Konkurrenz aus Deutschland: Christoph Heusgen (55), einer der erfahrensten Berater von Kanzlerin Angela Merkel, gilt als aussichtsreicher Anwärter. Sollte der Deal klappen, hätte Berlin eine fast einzigartige Machtbasis in Brüssel geschaffen. Denn zusammen mit Uwe Corsepius, der in einigen Monaten zur rechten Hand des Ständigen Ratspräsidenten avanciert, hätten zwei Merkel-Vertraute wichtige Fäden in der Hand. Doch das Modell ist umstritten. "Wir müssen die Generalsekretärs-Ideologie stoppen", sagt Martin Schulz, der Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament. Die Abgeordneten wollen vermeiden, dass die chronisch überlastete Catherine Ashton einen Stellvertreter bekommt, der ihr am Ende die Schau stiehlt. "Derweil bemüht sich Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Ashton gleich drei Stellvertreter aus der Kommission unterzujubeln: die Kommissare für humanitäre Hilfe, Nachbarschaftspolitik und Entwicklung. Der Trick des Portugiesen: Er hätte als Chef der Drei praktisch ungehinderten Zugriff auf den außenpolitischen Arm der Union, der laut Lissabonner Vertrag aber eigentlich unabhängig sein soll. Es ist nicht das einzige Manko im Ashton-Entwurf. Wie die Grünen-Fachfrau Franziska Brantner wollen auch andere das Übergewicht militärischer Planungseinheiten in der künftigen Abteilung für Krisenmanagement und Planung bekämpfen. "Da entsteht ein Staat im Staat", so Lambsdorff. Angesichts der Tatsache, dass von den insgesamt 28 Missionen, die die EU im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) gestartet hat, 21 ziviler Natur waren, "entsteht ein völlig falsches Gesamtbild" (Lambsdorff). Das sehen offenbar auch die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten so. Als die Britin ihr Konzept vorstellte, habe es "offene Ablehnungsbekundungen" gegeben, heißt es in Brüssel.Meinung

Mehr Unabhängigkeit

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes Die 27 Mitglieder dieser Union ringen um eine Struktur, die die Unabhängigkeit der europäischen Diplomaten sicherstellen soll. Denn sie ist die Voraussetzung, damit die Hohe Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik nicht zum verlängerten Arm der Kommission, sondern der Regierungen wird. Denn nur dann kann die Amtsinhaberin auf Dauer an Statur und auch an Gewicht gewinnen, weil sie wirklich zum Sprachrohr der Außenminister würde - statt zum Spielball des Kommissionspräsidenten. Dem unterstellt man nicht zu Unrecht einen beispiellosen Machthunger und den Versuch, alle erreichbaren Kompetenzen für sich und sein Team zu vereinnahmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort