Macht Bayern künftig Steuergeschenke?

Berlin · Vor allem Bayern und Baden-Württemberg fordern mehr Steuerautonomie für die Länder. Finanzminister Schäuble kann sich das auch vorstellen. Kritiker befürchten allerdings eine Schieflage in Deutschland.

Geht es nach Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ), dann könnten künftig in einigen Bundesländern höhere Einkommensteuern erhoben werden als in anderen. Der Vorschlag gehört zu einem Katalog von Ideen, der gestern zwischen Schäuble und den 16 Finanzministern der Länder erörtert wurde, um die Finanzbeziehungen ab 2019 neu zu ordnen. Und die Länder sagen nicht grundsätzlich Nein.

Dem Bund schwebt vor, dass die Länder von den geltenden Einkommen- und Körperschaftssteuersätzen abweichen dürfen, allerdings nur für den ihnen zustehenden Anteil, der etwa die Hälfte umfasst. Um drei Prozentpunkte nach oben oder unten soll es gehen können, so die Vorstellung. In der Praxis könnte das bedeuten, dass etwa das wohlhabende Bayern den Spitzensteuersatz absenken dürfte, während ihn zum Beispiel das klamme Saarland erhöhen müsste. Kritiker werfen ein, dass ein solcher "Steuerföderalismus" die Unterschiede zwischen armen und reichen Bundesländern noch verstärke.

Das Thema bleibe "Gegenstand der weiteren Verhandlungen", lautet die Stellungnahme der Länder in dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt. Mit anderen Worten: Alles hängt mit allem zusammen. Denn es geht um viele Themen gleichzeitig. Rundweg abgelehnt wird von den Ländern allerdings Schäubles Vorschlag, auch bei den Sozialstandards "den regionalen Besonderheiten besser Rechnung zu tragen". Unterschiedliche Regelsätze bei Sozialleistungen will die Mehrheit der Länder laut der Vorlage nicht.

Die Debatte um den Soli ist, auch das kann man dem Text entnehmen, offenbar im Kern entschieden. Weder Bund noch Länder wollen ihn abschaffen. Es geht nur noch darum, ob er eine reine Bundessteuer bleibt und weiterhin gesondert erhoben wird, oder künftig in die Einkommensteuer integriert wird und dort die Sätze entsprechend erhöht. Dann bekämen die Länder etwas mehr als die Hälfte der rund 18 Milliarden Einnahmen, die ab 2019 erwartet werden. Dafür verlangt Schäuble jedoch eine "Kompensation" von ihnen. Für die Steuerzahler ist dieser Streit egal. Er wird nicht entlastet - allerdings soll er auch nicht zusätzlich belastet werden, heißt es.

Der Bund lehnt es ab, dass hoch verschuldete Länder ihre Verbindlichkeiten in einen "Altschuldenfonds" geben können. Nur "streng konditionierte Hilfen" für einzelne Länder seien denkbar, formuliert Schäuble und meint offenbar Zinshilfen. Und auch das nur, wenn sich die Ländergemeinschaft zur Hälfte daran beteilige. Betroffen sind vor allem das Saarland und Bremen, die Probleme haben, die grundgesetzliche Grenze von null Euro neuen Schulden ab 2020 einzuhalten. Zu den Gegenforderungen des Bundes gehört auch, dass der Stabilitätsrat die Länderhaushalte stärker überwachen und Verstöße gegen die Schuldenbremse bestrafen soll. Das geht den Ländern zu weit. Einigkeit besteht wiederum, dass es ab 2020, nach Auslaufen des Solidarpaktes Ost, ein "gesamtdeutsches System zur Förderung strukturschwacher Regionen" geben müsse, unabhängig davon, ob sie im Osten oder Westen liegen. Nur sind hier die Details noch völlig offen.

Gar keine Vorschläge gibt es bisher zum umstrittensten Punkt, dem Länderfinanzausgleich . Die Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wollen weniger zahlen und klagen vor dem Bundesverfassungsgericht . Die hübsche Idee der Länder, sie zu entlasten, aber das fehlende Geld durch höhere Bundeszuweisungen wieder hereinzuholen, wird von Schäuble zurückgewiesen. Die Länder müssten das Problem schon unter sich regeln, heißt es. Da bis zum Dezember eine Lösung für alle Themen gefunden sein soll, sind also noch turbulente Gespräche zu erwarten.

Meinung:Noch mehr Ungleichheit

Von SZ-Korrespondent Stefan Vetter

Der Länderfinanzausgleich läuft in seiner jetzigen Form zwar erst Ende 2019 aus. Aber das politische Gezerre um eine Anschlussregelung ist schon jetzt in vollem Gange. Kein Wunder. Schließlich geht es um Milliarden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble macht sich nun für eine größere Steuerautonomie der Länder stark. Die reichen "Provinzen" Bayern und Baden-Württemberg stoßen ins gleiche Horn. Doch wenn der Auftrag des Grundgesetzes, bundesweit für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, auch im kommenden Jahrzehnt Bestand haben soll, dann muss ein solcher Wettbewerbsföderalismus zwangsläufig in die Irre führen. Gerade Deutschland hadert mit dem Steuerdumping von EU-Staaten, die auf diese Weise Investoren anlocken wollen. Da wäre es sehr fatal, diese Praxis bei sich selbst einzuführen.

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