Lug und Trug

Paris · Gestern sind in Paris die Doping-Lebenslügen zahlreicher früherer Radstars entlarvt worden. Wieder geht es um Jan Ullrich – und um Erik Zabel. 15 Jahre nach der Skandaltour 1998 sind sie als Dopingsünder entlarvt.

Die Vergangenheit des Radsports hat sich an einem Tag beispielloser Enthüllungen als vollends verseucht erwiesen: Jan Ullrich, Erik Zabel, Marco Pantani, Mario Cipollini und Dutzende weitere Topstars waren bei der Tour de France 1998 mit Epo gedopt. Das ergibt sich aus einem Bericht der französischen Anti-Doping-Kommission, der gestern dem Senat in Paris vorgelegt wurde. Vor allem die vermeintlich goldene Ära des deutschen Radsports war demnach nichts anderes als Lug und Trug.

Über viele Jahre hatten Ullrich, Deutschlands einziger Tour-de-France-Sieger, und Zabel, der sechsmalige Gewinner des Grünen Trikots, ihre Unschuld beteuert. Dabei haben sie offenbar dreist gelogen. Denn gegen beide liegen nun erstmals positive Testergebnisse vor - das ist der eigentliche Sprengstoff der Pariser Enthüllungen. Der 39-jährige Ullrich hat vor einem Monat im Gespräch mit dem Magazin Focus zwar erstmals bekannt, gedopt zu haben, aber mit Eigenblut. Epo-Doping stritt er stets ab.

Der gestern in Paris veröffentlichte Bericht soll weitere frühere Top-Profis als Betrüger enttarnen. Allerdings zeigten die Senatoren keine eindeutige Liste der überführten Sportler, sondern nur Code-Nummern. Diese müssen in Kleinarbeit dechiffriert werden. Neben dem 2004 verstorbenen Pantini, 1998 Gesamtsieger der Tour vor Ullrich, sollen auch die französischen Stars Laurent Jalabert und Jacky Durand zu den Überführten gehören.

Schon lange vor der überfälligen Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit war die Tour de France 1998 als Farce in die Geschichte eingegangen. Nachdem beim Festina-Team mehrere Hundert Ampullen Epo gefunden wurden, hatte die Tour-Leitung die französische Mannschaft um Kapitän Richard Virenque im Laufe der Rundfahrt ausgeschlossen. Es folgten Vernehmungen bei anderen Fahrern und Razzien in Hotels. Viele Teams traten die Flucht an. Nur 14 von 21 Mannschaften erreichten Paris.

Und Erik Zabel? Man wollte ihm so gerne glauben, damals, im Mai 2007. Zusammen mit Rolf Aldag saß Zabel auf dem Podium. Ihm stockte die Stimme, Tränen schossen ihm in die Augen. Die Wahrheit wollte er sagen, die Wahrheit über den dunklen Schatten auf dem Magenta des Telekom-Teams. Seine Tränen waren damals echt - das Geständnis aber eine Lüge: Rund sechs Jahre nach seiner emotionalen Doping-Beichte entpuppt sich Deutschlands erfolgreichster Radsportler ebenso als Betrüger wie Lance Armstrong, Jan Ullrich oder Marco Pantani. Für seinen Sohn Rick, dem er vor sechs Jahren seine Doping-Beichte "widmete", war Erik Zabel "großes Vorbild". Sein Geständnis beeindruckte seinen Sohn: "Ich bin stolz auf ihn, für mich ist und bleibt er ein Vorbild. Jeder Mensch macht Fehler." Seit gestern dürfte es wieder Gesprächsbedarf zwischen Vater und Sohn geben.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) begrüßte unterdessen die Veröffentlichung der Namen: "Der Bericht wird nicht nur in Frankreich, sondern weltweit helfen, den Kampf gegen Doping voranzutreiben", sagte Wada-Präsident John Fahey. Rund 60 Athleten, angeblich nicht nur aus dem Radsport, sollen als Betrüger enttarnt worden sein. Noch nicht einmal von einem Drittel sind bislang die Namen durchgesickert.

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HintergrundDie Ausdauer eines Sportlers hängt wesentlich davon ab, wieviel Sauerstoff sein Blut aufnehmen kann. Das Peptidhormon Epo (Erythropoetin) stimuliert die Produktion roter Blutkörperchen (Erythrozyten). Deren erhöhte Anzahl führt zu einer verbesserten Sauerstoffaufnahmekapazität des Blutes und damit zu einer gesteigerten Ausdauer. Seit 1983 ist es möglich, Epo synthetisch herzustellen. Entwickelt wurde es für Patienten mit Blutarmut bei Nierenleiden. Das Internationale Olympische Komitee hat den Gebrauch von Epo 1990 verboten. Bis zum Jahr 2000 war der analytische Nachweis eines Missbrauchs jedoch sehr schwierig, weil das vom Organismus produzierte nicht vom synthetischen zu unterscheiden war. Erst der Franzose Francoise Lasne entwickelte ein direktes Nachweisverfahren. dpa

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