Brexit-Verhandlungen London und Brüssel kommen sich etwas näher

Brüssel · Bei den Brexit-Verhandlungen lag gestern eine Sensation in der Luft. Für einen Durchbruch aber reichte es dann doch nicht.

 EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die britische Premierministerin Theresa May traten gestern mit einem skeptischen Blick vor die Presse. Einen Verhandlungs-Durchbruch gab es zuvor noch nicht.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die britische Premierministerin Theresa May traten gestern mit einem skeptischen Blick vor die Presse. Einen Verhandlungs-Durchbruch gab es zuvor noch nicht.

Foto: dpa/Virginia Mayo

Dieser Montag hätte in die Geschichte des Brexit eingehen können. Seit dem Mittag lag in Brüssel eine Sensation in der Luft. Britische Medien überschlugen sich bereits, weil Premierministerin Theresa May angeblich mit einer faustdicken Überraschung zum Mittagessen mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angereist war. London gehe, so hieß es, praktisch auf alle EU-Forderungen ein. Sogar in der strittigen Frage der Grenze zwischen Irland und Nordirland, das zum Königreich gehört. Irgendein Spaßvogel beschrieb die Spannung am Nachmittag auf Twitter so: „Der Taoiseach (irische Premierminister, Anm. d. Red.) wartet auf einen Anruf von Ratspräsident Tusk. Tusk wartet auf einen Anruf von Juncker. Warum gründen die nicht eine WhatsApp-Gruppe?“

Doch daraus wurde nichts. Als May und Juncker schließlich vor die Presse traten und sich zunächst gegenseitig lobten, klang das zwar gut. „Sie ist eine harte Verhandlungspartnerin“, sagte der Kommissionspräsident, was wohl so viel heißen sollte wie: Ich habe mich nicht durchgesetzt. „Wir sind gut vorangekommen und treffen uns Ende der Woche wieder“, meinte May, was ungefähr so viel bedeutet wie: Es wurde nichts erreicht.

Seit Freitag hatten Delegationen aus London und Brüssel zusammengesessen. Offenbar wurde bei den beiden anderen offenen Fragen – die Rechte der in Großbritannien lebenden EU-Bürger und die Schlussrechnung – große Fortschritte gemacht. „Ein Kompromiss ist in Reichweite“, sagte der Grünen-Fraktionschef im EU-Parlament, Phi­lippe Lamberts, schon am Morgen. Am morgigen Mittwoch will die Juncker-Behörde eine Empfehlung für den EU-Gipfel Ende nächster Woche abgeben. Dann müssen die 27 Staats- und Regierungschefs entscheiden, ob das Ergebnis der Verhandlungen so zufriedenstellend ist, dass die Phase zwei der Brexit-Gespräche beginnen kann: Großbritanniens Zugang zum Binnenmarkt und die übrigen Beziehungen. Fest steht, dass es eine mehrjährige Übergangsphase geben soll. Das wollen beide Seiten, um Nachteile und Rückschläge für Wirtschaft und Handel zu vermeiden. „Außerdem wäre dann der Druck aus den Verhandlungen raus“, sagte ein hoher EU-Diplomat gestern in Brüssel.

Doch der Weg dahin scheint nicht einfach – zumal eine Einigung in Brüssel nur ein erster Schritt wäre. May braucht auch die Zustimmung zu Hause. Und die könnte mehr als schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden. Zu hart prallen in London die unterschiedlichen Positionen aufeinander. In Brüssel wurde mit großer Aufmerksamkeit registriert, dass May selbst zum Gespräch mit Juncker anreiste und nicht Brexit-Minister David Davis. „Den haben wir hier schon seit Wochen nicht mehr gesehen“, betonte der EU-Vertreter. „Offenbar hat die Londoner Regierungszentrale inzwischen die Verhandlungen selbst in die Hand genommen und Davis beiseite gestellt.“ Er gehört zu den innerparteilichen Rivalen von May.

Wie schwierig die Position der britischen Premierministerin wirklich ist, offenbarte der gestrige Montag. Die Vertreter der Brexit-freundlichen DUP aus Nordirland, die die May-Regierung im Unterhaus tolerieren, schäumten vor Wut über den angeblichen Deal von Brüssel. Britische Medien bauten um die Gerüchte schon heftige Zukunftsszenarien über einen Deal, den es am Ende gar nicht gab. Die Atmosphäre ist aufgeheizt, obwohl noch nicht einmal klar wurde, was Juncker und May sowie Tusk eigentlich miteinander vereinbart haben. „Wir haben noch Zeit, um bis zum EU-Gipfel einen Durchbruch zu schaffen“, erklärte Juncker. Viel Hoffnung für so wenige Tage.

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