Löschen statt sperren
Berlin. Das war zu Zeiten der großen Koalition ein schwerer Kampf für sie: "Zensursula" wurde die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) von der Internetgemeinde gescholten, nachdem sie das "Zugangserschwerungsgesetz" im Bundesrat und im Bundestag durchgeboxt hatte
Berlin. Das war zu Zeiten der großen Koalition ein schwerer Kampf für sie: "Zensursula" wurde die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) von der Internetgemeinde gescholten, nachdem sie das "Zugangserschwerungsgesetz" im Bundesrat und im Bundestag durchgeboxt hatte. Jetzt rückt die schwarz-gelbe Bundesregierung aber wieder von den umstrittenen Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornografie ab. Union und FDP wollen stattdessen mit einem "Löschgesetz" den Kampf gegen diese Internetseiten forcieren.
Nach der Bundestagswahl hatten Union und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart, das Sperrengesetz vorläufig nicht anzuwenden. Zudem hatte Bundespräsident Horst Köhler Ende November das Gesetz nicht unterschreiben wollen und von der Bundesregierung "ergänzende Informationen" verlangt. Das Justizministerium bestätigte gestern, dass dem Bundespräsidenten in einer Stellungnahme übermittelt worden sei, dass man nicht weiter auf der Sperrung der Seiten bestehen wolle.
Stattdessen setzt die Koalition auf das Prinzip "Löschen statt Sperren" von Seiten mit kinderpornografischen Inhalten. Dazu will die Bundesregierung "zügig" ein Gesetz entwerfen. "Mit Sperren war und ist der Kampf gegen das schreckliche Verbrechen des Kindesmissbrauchs und der Kinderpornografie nicht zu gewinnen", so FDP-Expertin Gisela Piltz zu unserer Zeitung. Es sei gut, dass sich die Liberalen durchgesetzt hätten, solche Inhalte zu entfernen, "statt sie hinter leicht zu umgehenden Sperren nur zu verstecken". Was nun aber in einem Löschgesetz konkret festgelegt werden soll, ist noch unklar. Laut FDP geht es vor allem darum, den deutschen Polizei- und Sicherheitsbehörden die gesetzliche Möglichkeit zu geben, zuständige ausländische Behörden und Provider zu informieren, wenn sie auf kinderpornografische Inhalte im Netz aufmerksam werden. Dann sollen sie sogenannte "Abuse-Mails" schreiben dürfen und auf eine Löschung hinwirken können. Notwendig sei es auch, entsprechende Lösungen "mit den Selbstregulierungskräften des Internets wie dem Providernetzwerk Inhope oder der deutschen Internet-Beschwerdestelle zu finden".
Ursula von der Leyens Mühen hingegen haben sich also nicht gelohnt. Sie hatte sich besonders für die Einrichtung virtueller Stoppschilder stark gemacht. Dazu sollten beim Bundeskriminalamt Sperrlisten von verbotenen Webseiten gepflegt werden, die dann von den Internet-Providern blockiert werden sollten. Das wiederum hatte zu massiven Protesten geführt. 130 000 Gegner unterschrieben eine Online-Petition gegen die Einrichtung von Barrieren und Zensur im Netz. Außerdem gründete sich die durchaus erfolgreiche "Piratenpartei". Und sie hält auch vom neuen Vorgehen der Bundesregierung nichts. Das sei "Unsinn", so Parteisprecher Simon Lange zu unserer Zeitung: "Das zeigt erneut, wie wenig die Bundesregierung von der Materie versteht." Das Problem kinderpornografischer Angebote im Internet sei nie ein Gesetzesproblem gewesen. Der Gesetzgeber habe schon jetzt alle Rechte und Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass "Provider in kürzester Zeit solche Seiten dauerhaft abschalten und löschen", meinte Lange. Viel wichtiger seien "mehr Sachkompetenz und mehr Mitarbeiter bei den Ermittlungsbehörden".
Hintergrund
Kinder und Jugendliche müssen in sogenannten sozialen Netzwerken im Internet laut EU-Kommission noch besser geschützt werden. So konnten bei einem Test nur in 40 Prozent der Fälle die persönlichen Angaben minderjähriger Nutzer in der Grundeinstellung allein von deren Freunden eingesehen werden, teilte die Kommission gestern in Brüssel mit. Zudem habe lediglich ein Drittel der getesteten 20 Unternehmen auf Nutzermeldungen reagiert, in denen um Hilfe gebeten wurde. Die EU-Kommission hatte rund 25 Internet-Angebote wie Facebook, SchülerVZ und MySpace unter die Lupe genommen. Sie gehören zu 20 Unternehmen, die sich im vergangenen Jahr selbst verpflichteten, den Schutz von Minderjährigen im Internet zu erhöhen. afp