Löcher - im Terminkalender

Berlin. Die rund 55 000 Zahnärzte in Deutschland fahren schweres Geschütz auf: Wegen der angeblich erschöpften Honorarbudgets vergeben viele von ihnen bis Ende Dezember keine Termine mehr. Behandelt werden nur noch Notfälle. Regierung, Opposition und Krankenkassen halten das für rechtswidrig. Sie rufen die Versicherten auf, sich zu wehren

 Eine Zahnbehandlung bekommen viele Kassenpatienten derzeit nur im Notfall. Foto: dpa

Eine Zahnbehandlung bekommen viele Kassenpatienten derzeit nur im Notfall. Foto: dpa

Berlin. Die rund 55 000 Zahnärzte in Deutschland fahren schweres Geschütz auf: Wegen der angeblich erschöpften Honorarbudgets vergeben viele von ihnen bis Ende Dezember keine Termine mehr. Behandelt werden nur noch Notfälle. Regierung, Opposition und Krankenkassen halten das für rechtswidrig. Sie rufen die Versicherten auf, sich zu wehren.

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) trommelt schon seit geraumer Zeit für höhere Honorare. "Es kann nicht angehen, weiterhin auf dem Rücken der Zahnärzte Mangelwirtschaft zu betreiben", schimpfte KZBV-Chef Jürgen Fedderwitz kürzlich in einem Interview. Seine Organisation schätzt, dass zwischen zahnärztlichen Leistungen und ihrer Bezahlung eine Lücke von etwa 150 Millionen Euro klafft. Nun will sich die KZBV zu Lasten der Patienten wehren: "In fast allen Bundesländern müssen gesetzlich Versicherte bei bestimmten Kassen mit Einschränkungen rechnen", sagte Fedderwitz gestern. Gemeint sind in erster Linie Versicherte der AOK und der Innungskrankenkassen (IKK). Lediglich notwendige Behandlungen und Notfälle wie etwa Zahnschmerzen würden bis Ende Dezember behandelt, so Fedderwitz.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen reagierte mit scharfer Kritik: "Unverantwortlich ist es, dass Zahnärztefunktionäre aus politischen Erwägungen die Ängste von Patienten schüren", sagte eine Verbandssprecherin der SZ. Hintergrund: Noch in diesem Monat soll die Gesundheitsreform im Bundestag verabschiedet werden. Zu den Sparmaßnahmen zählt auch ein Passus, wonach die Vergütungszuwächse für Zahnärzte ab 2011 geringer ausfallen als in der Vergangenheit. Das Bundesgesundheitsministerium erinnerte derweil an die Rechtslage: "Alle Kassenzahnärzte sind verpflichtet, ihre Patienten umfassend zu behandeln. Es ist die gesetzliche Aufgabe der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, dies sicherzustellen", sagte der liberale Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr gestern. Die Opposition forderte gar ein Eingreifen von Ressortchef Philipp Rösler (FDP): "Der zuständige Minister darf nicht tatenlos zuschauen, wenn Zahnärzte nur Notfälle behandeln. Er kann die Zahnarztfunktionäre auch einbestellen und ihnen den Kopf waschen", meinte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner.

Nach Überzeugung der Krankenkassen resultiert der zahnärztliche Frust ausschließlich aus einer falschen Verteilung der Honorare durch die zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV). Beide Seiten schließen Verträge ab, in denen geregelt ist, wie hoch die Vergütungen der Zahnärzte sein dürfen. Die Kasse wiederum zahlt die entsprechende Summe an die KZV. Von dort wird der Betrag auf die einzelnen Zahnärzte verteilt. Die AOK Bayern vergleicht die jetzige Situation mit der Gehaltszahlung in einem Betrieb, die die Mitarbeiter bis zur Mitte des Monats größtenteils ausgegeben haben und nun vom Arbeitgeber einen kräftigen Nachschlag fordern. "Keine Firma wird dabei mitspielen", so das AOK-Fazit.

Die Versicherten muss dieser Streit nicht kümmern. Doch was, wenn der Zahnarzt die Behandlung verweigert oder auf ihre private Bezahlung drängt? "In diesem Falle sollten die Versicherten unbedingt ihre Kasse kontaktieren, denn der Zahnarzt verhält sich hier nicht gesetzkonform", heißt es vom Spitzenverband der Krankenkassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort