Linker Vorstoß für den Hanf

Berlin. Nein, im Bundestag kreisten gestern nicht klammheimlich irgendwelche "Tüten", damit es völlig losgelöst zuging im Gesundheitsausschuss. Wobei man gerne gewusst hätte, wer von den Abgeordneten schon mal einen "Joint" geraucht hat

 Der Anbau von Hanf-Pflanzen ist in Deutschland verboten - die Linke will es Cannabis-Clubs erlauben. Foto: Abir Sultan Israel Out/dpa

Der Anbau von Hanf-Pflanzen ist in Deutschland verboten - die Linke will es Cannabis-Clubs erlauben. Foto: Abir Sultan Israel Out/dpa

Berlin. Nein, im Bundestag kreisten gestern nicht klammheimlich irgendwelche "Tüten", damit es völlig losgelöst zuging im Gesundheitsausschuss. Wobei man gerne gewusst hätte, wer von den Abgeordneten schon mal einen "Joint" geraucht hat. Schließlich behandelte das Gremium die heikle Frage, ob Cannabis durch Einführung von "Cannabis-Clubs" in Deutschland legalisiert werden soll.Würde man die politischen Lager unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Konsums untersuchen, so ergäbe sich womöglich folgender Befund: Linke und Grüne haben bestimmt schon mal etwas geraucht, Union und FDP sicherlich nicht, und die SPD hat mal gezogen, aber nicht inhaliert. Zumindest lässt sich so das Meinungsbild nach der Expertenanhörung zu einem Antrag der Linken skizzieren. Die Fraktion will Haschisch und Marihuana legalisieren und besagte Cannabis-Clubs einführen. Den Einrichtungen wird es dann erlaubt, Pflanzen anzubauen und bis zu 30 Gramm zu verkaufen. Jedoch nur an volljährige Mitglieder.

Soweit die Theorie. Bei der Ausgestaltung sei man aber noch "sehr offen", meinte gestern Initiator Frank Tempel auf Nachfrage. Man brauche ein Umdenken in der Drogenpolitik, so der Linke weiter, denn die bestehenden Verbote würden nicht helfen und seien auch nicht durchsetzbar. Klar sei aber auch, "Cannabis ist nicht harmlos". Immerhin gelten drei Millionen Menschen als regelmäßige Konsumenten, rund 30 000 sind so abhängig, dass sie eine Therapie machen müssen. Raphael Gaßmann von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen kritisierte, dass es in Deutschland anders als beim Alkohol oder Tabak keine Präventionsstrategie gebe. Rainer Thomasius vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf warnte zudem vor den "körperlichen, psychischen und sozialen Schäden" des Haschisch-Konsums. Gerade Jugendliche seien sehr verführbar und würden "rasch Abhängigkeiten entwickeln".

Trotz der "Geringe-Menge-Regelung" in vielen Bundesländern gebe es jedes Jahr 100 000 Strafverfahren wegen Haschischbesitzes, konterte Georg Wurth vom Deutschen Hanf-Verband. Das sei ein "wahnsinniger Aufwand", der beendet werden müsse. Im Vergleich zur Gefährlichkeit des Alkoholkonsums sei eine strafrechtliche Verfolgung nicht länger gerechtfertigt. Nicole Krumdiek von der Universität Bremen ergänzte, dass der Handel aufgrund der bestehenden Gesetzgebung vielfach über den Schwarzmarkt laufe, so dass eine Kontrolle der Cannabis-Qualität nicht möglich sei.

Im Bundestag gab es schon mehrfach Versuche, Cannabis zu entkriminalisieren. In Erinnerung ist noch der Auftritt des Ur-Grünen Christian Ströbele auf der Berliner Hanf-Party vor gut zehn Jahren. Sein Satz: "Gebt das Hanf frei" wurde später durch ein Lied von Stefan Raab zum Kult. Doch alle Vorstöße waren bislang vergebens. Den Linken wird es wohl genauso ergehen.

Meinung

Freigabe ist der falsche Weg

Von SZ-KorrepondentHagen Strauß

Der Streit um die Freigabe von Cannabis ist inzwischen zu einer Art Glaubenskrieg geworden. Es gibt gute Argumente dafür und gute Argumente dagegen. Aber auch wenn viele Jugendliche etwas anderes glauben: "Kiffen" ist nicht harmlos, die gesundheitlichen Gefahren sind größer als gedacht. Und die Zahl der Abhängigen und Konsumenten wächst. Dass eine Freigabe der richtige Weg ist, muss deshalb bezweifelt werden. Die Befürworter stehen in der Pflicht, ihre Sicht überzeugend darzulegen. Das ist ihnen gestern nicht gelungen.

Und eines gilt auch: Nur weil sich immer mehr Menschen nicht an die Regeln halten, kann die Antwort darauf nicht zwangsläufig die Entkriminalisierung sein. Prävention ist gefragt. Und das noch viel mehr als bisher.

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