Licht und Schatten nach 20 Jahren Einheit

Am 3. Oktober 1990 wurde Wirklichkeit, woran viele schon nicht mehr geglaubt hatten: Nach rund 40 Jahren Teilung war Deutschland wiedervereint. "Für mich ist dieser Augenblick einer der glücklichsten in meinem Leben", sagte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit in einer Fernsehansprache

Am 3. Oktober 1990 wurde Wirklichkeit, woran viele schon nicht mehr geglaubt hatten: Nach rund 40 Jahren Teilung war Deutschland wiedervereint. "Für mich ist dieser Augenblick einer der glücklichsten in meinem Leben", sagte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit in einer Fernsehansprache. Um Mitternacht zogen 14 Jugendliche aus Ost und West die schwarz- rot-goldene Flagge unter dem Jubel hunderttausender Menschen vor dem Reichstag in Berlin auf. Immer wieder ertönten "Helmut, Helmut"- Rufe aus der Menge. "Es waren bewegende, unvergessliche Momente, die einfach nicht enden wollten", schrieb Kohl in seinen Erinnerungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die stellvertretende Regierungssprecherin des letzten und einzigen freigewählten DDR- Ministerpräsident Lothar de Maizière war, sagte jetzt: "Ich halte es für ein großes Glück, dass uns die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit gelungen ist." In den vergangenen 20 Jahren sei sehr vieles gelungen - vom Neu- und Ausbau der Verkehrswege über den Umweltschutz bis hin zur besseren medizinischen Versorgung und der Lebensqualität insgesamt. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir den weiteren Weg auch noch schaffen", so die Kanzlerin. Bundesverkehrsminister Peter Raumsauer (CSU) zog jüngst eine Bilanz der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit: Sechs von neun Schienenprojekten seien fertiggestellt, die anderen drei im Bau. Fertiggestellt oder im Bau seien 95 Prozent der Straßenbauprojekte. "Insgesamt 17 Schienen-, Straßen- und Wasserverkehrswege wurden mit einem Investitionsvolumen von rund 39,4 Milliarden Euro in Angriff genommen." Auch materiell holten die Ostdeutschen schnell auf. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen wuchs nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 1991 bis 2008 in den neuen Ländern von 8156 auf 15 536 Euro. Das verfügbare Einkommen liegt damit inzwischen bei etwa 78 Prozent des westdeutschen Niveaus. Allerdings liegen die neuen Länder nach wie vor bei der Wirtschaftskraft zurück, und die Arbeitslosigkeit ist immer noch fast doppelt so hoch wie im Westen. Nach Zahlen des Zentrums für Sozialforschung wurden bis 2002 in Ostdeutschland 58 803 Betriebe geschlossen. Andererseits wurden auch eine halbe Million neue Betriebe gegründet, darunter heute börsennotierte Firmen wie die Jenoptik AG in Jena.Viele Menschen sahen keine Perspektive mehr in ihrer Heimat und verließen Ostdeutschland - vor allem jüngere und gut ausgebildete. In den neuen Ländern lebten Ende 2008 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 1,7 Millionen Menschen weniger als 1990.Die Regierung hält die deutsche Einheit trotzdem für eine Erfolgsgeschichte. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) räumte aber auch "Schattenseiten" ein. Zu Kohls Versprechen, es werde in wenigen Jahren "blühende Landschaften" im vereinten Deutschland geben, sagte er: "Der Begriff der blühenden Landschaften beschreibt die Realität 2010 nicht umfassend. Es gibt eben neben blühenden Landschaften auch Industriebrachen und auch gescheiterte Biografien."Auch wenn die damals verantwortlichen Politiker in der Rückschau Fehler einräumen, sind sich doch alle einig, dass es richtig war, die deutsche Einheit so schnell zu vollziehen. "Solche Prozesse gehen in der Geschichte schnell oder gar nicht", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der 1990 Innenminister war, vor kurzem. "Das Tempo ist nicht von irgendwem in Bonn gemacht worden, sondern von den Menschen in der DDR."

Auf einen BlickSchritte zur deutschen Einheit:9. November 1989: Öffnung der Berliner Mauer. Die DDR-Regierung veröffentlicht eine Reiseregelung, die die Ausreise in den Westen ohne besondere Gründe ermöglicht. In Scharen strömen die Menschen in den Westen.18. März 1990: Erste freie Wahlen in der DDR. 12. April: Die Volkskammer wählt eine demokratische Regierung. Lothar de Maizière (CDU) wird Ministerpräsident.5. Mai: Beginn der Zwei-plus-Vier-Gespräche der Außenminister beider deutscher Staaten, der USA, der UdSSR, Frankreichs und Großbritanniens.23. Mai: In Bonn kommen die Ausschüsse "Deutsche Einheit" von Bundestag und Volkskammer zur ersten gemeinsamen Sitzung zusammen.1. Juli: Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion tritt in Kraft, in der DDR wird die D-Mark eingeführt. An den innerdeutschen Grenzen fallen die Personenkontrollen weg.23. August: Die Volkskammer beschließt in einer Sondersitzung den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zum 3. Oktober.31. August: Unterzeichnung des Einigungsvertrags.12. September: Abschluss der Zwei-plus-Vier-Gespräche in Moskau: Die Außenminister beider deutscher Staaten und der früheren Siegermächte unterzeichnen den abschließenden Vertrag.1. Oktober: Deutschland erhält volle Souveränität. 3. Oktober: Um 0 Uhr wird zu den Klängen des Deutschlandliedes vor dem Reichstag in Berlin die schwarz-rot-goldene Flagge aufgezogen. dpa

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