Lebkuchen im Sommer, Freude und Frust

Saarbrücken · Draußen fallen gerade erst die Blätter. Die Urlaubserinnerungen sind frisch. Sandalen und kurze Hosen kommen an sonnigen Spätsommertagen noch einmal zum Einsatz. Doch in vielen Supermärkten ist schon Advent. Zwischen Sonderangeboten und Gemüsetheke stapeln sich in weihnachtlich roten Pappkisten Lebkuchen , Butterstollen, Schoko-Weihnachtsmänner und Adventskalender. Menschen in leichter Herbstkleidung schlendern an aufgedruckten Christbaumkugeln , Schneeflocken und goldenen Sternen vorbei. Weihnachten im September - das geht vielen Deutschen gegen den Strich. Fast 63 Prozent sind genervt, dass schon jetzt Festtagsnaschereien in den Regalen stehen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Bei fast jedem Dritten ist der Frust sogar so groß, dass er sich ein Verbot in den Läden vor einem bestimmten Stichtag wünscht. Die meisten finden, die Vorweihnachtszeit mit Märkten, festlicher Dekoration und Angeboten solle erst im November beginnen. Die Kirchen sehen es grundsätzlich kritisch, dass die Adventszeit immer weiter in den Herbst hineinverlagert wird. "Wenn ein halbes Jahr lang Weihnachten ist, geht der tiefere Sinn dieses christlichen Festes verloren", sagt Prälat Peter Prassel, Leiter des Katholischen Büros Saarland. Auch Christian Weyer , Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Saar-West, wünscht sich, weihnachtliche Traditionen würden sich auf die besinnliche Zeit im Advent beschränken. Ein Verbot des frühen Weihnachtsgeschäfts lehnen beide Kirchenvertreter aber ab. "Man sollte nicht zu viel reglementieren", sagt Weyer . Schließlich sei es die freie Entscheidung der Bürger, Lebkuchen und Spekulatius im September zu kaufen. Das ist auch das Hauptargument des Handels. "Wir sind quasi Erfüllungsgehilfe", sagt Fabian Schulz, Geschäftsführer des Landesverbands Einzelhandel und Dienstleistung. "Wenn die Produkte bleischwer in den Regalen liegen würden, würden die Geschäfte sie rausnehmen." Doch die Weihnachtsleckereien sind keine Ladenhüter - und gehen nicht nur gut, wenn sich das kühle und graue Wetter arg früh im Jahr einstellt. "Selbst wenn im August und September 30 Grad herrschen, werden Lebkuchen gekauft." Aber warum eigentlich? Greifen die Kunden einfach nur nach dem, was ohnehin angeboten wird? Oder steckt mehr dahinter? Superintendent Weyer vermutet hinter der Ausdehnung der Weihnachtsbräuche nicht allein kommerzielle Aspekte. Wenn die Menschen zum Beispiel schon im Oktober oder November Lichterketten aufhängen, spiegele das auch "eine Sehnsucht, die dunkle Jahreszeit mit Lichtsymbolik zu füllen". Viele wollten auch bereits die Gemütlichkeit von Weihnachten spüren. Auch Prälat Prassel glaubt, dass die Menschen sich wünschen, das schöne Gefühl, das sie mit dem Advent verbinden, früher heraufbeschwören zu können. Der Geruch von Lebkuchen rufe bei vielen gute Erinnerungen hervor. "Diese Freude wollen wir auch niemanden nehmen. Es wäre aber schön, wenn der September-Lebkuchen mehr mit dem Weihnachten am 24. Dezember zu tun hätte." Dass ein Verbot von Weihnachtstraditionen bis zu einem bestimmten Termin nun ernsthaft auf der politischen Agenda landen wird, ist ohnehin fraglich. CDU-Generalsekretär Peter Tauber mokierte sich gestern, solange Deutschland über Stichtage für den Verkauf von Lebkuchen rede, "muss es dem Land verdammt gut gehen". Woanders hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Händler freilich bereits beschnitten. So hat der Staat einem ausufernden Silvester-Geschäft den Riegel vorgeschoben. Der Verkauf der meisten Feuerwerkskörper und Böller ist nur in der Zeit vom 29. bis 31. Dezember erlaubt. Im Gegensatz zu Feuerwerkskörpern geht von den weihnachtlichen Kalorienbomben allerdings eher wenig Gefahr aus. Saarländer gegen Weihnachten im September

Draußen fallen gerade erst die Blätter. Die Urlaubserinnerungen sind frisch. Sandalen und kurze Hosen kommen an sonnigen Spätsommertagen noch einmal zum Einsatz. Doch in vielen Supermärkten ist schon Advent. Zwischen Sonderangeboten und Gemüsetheke stapeln sich in weihnachtlich roten Pappkisten Lebkuchen , Butterstollen, Schoko-Weihnachtsmänner und Adventskalender. Menschen in leichter Herbstkleidung schlendern an aufgedruckten Christbaumkugeln , Schneeflocken und goldenen Sternen vorbei. Weihnachten im September - das geht vielen Deutschen gegen den Strich. Fast 63 Prozent sind genervt, dass schon jetzt Festtagsnaschereien in den Regalen stehen. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Bei fast jedem Dritten ist der Frust sogar so groß, dass er sich ein Verbot in den Läden vor einem bestimmten Stichtag wünscht. Die meisten finden, die Vorweihnachtszeit mit Märkten, festlicher Dekoration und Angeboten solle erst im November beginnen.

Die Kirchen sehen es grundsätzlich kritisch, dass die Adventszeit immer weiter in den Herbst hineinverlagert wird. "Wenn ein halbes Jahr lang Weihnachten ist, geht der tiefere Sinn dieses christlichen Festes verloren", sagt Prälat Peter Prassel, Leiter des Katholischen Büros Saarland. Auch Christian Weyer , Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Saar-West, wünscht sich, weihnachtliche Traditionen würden sich auf die besinnliche Zeit im Advent beschränken. Ein Verbot des frühen Weihnachtsgeschäfts lehnen beide Kirchenvertreter aber ab. "Man sollte nicht zu viel reglementieren", sagt Weyer . Schließlich sei es die freie Entscheidung der Bürger, Lebkuchen und Spekulatius im September zu kaufen.

Das ist auch das Hauptargument des Handels. "Wir sind quasi Erfüllungsgehilfe", sagt Fabian Schulz, Geschäftsführer des Landesverbands Einzelhandel und Dienstleistung. "Wenn die Produkte bleischwer in den Regalen liegen würden, würden die Geschäfte sie rausnehmen." Doch die Weihnachtsleckereien sind keine Ladenhüter - und gehen nicht nur gut, wenn sich das kühle und graue Wetter arg früh im Jahr einstellt. "Selbst wenn im August und September 30 Grad herrschen, werden Lebkuchen gekauft."

Aber warum eigentlich? Greifen die Kunden einfach nur nach dem, was ohnehin angeboten wird? Oder steckt mehr dahinter? Superintendent Weyer vermutet hinter der Ausdehnung der Weihnachtsbräuche nicht allein kommerzielle Aspekte. Wenn die Menschen zum Beispiel schon im Oktober oder November Lichterketten aufhängen, spiegele das auch "eine Sehnsucht, die dunkle Jahreszeit mit Lichtsymbolik zu füllen". Viele wollten auch bereits die Gemütlichkeit von Weihnachten spüren. Auch Prälat Prassel glaubt, dass die Menschen sich wünschen, das schöne Gefühl, das sie mit dem Advent verbinden, früher heraufbeschwören zu können. Der Geruch von Lebkuchen rufe bei vielen gute Erinnerungen hervor. "Diese Freude wollen wir auch niemanden nehmen. Es wäre aber schön, wenn der September-Lebkuchen mehr mit dem Weihnachten am 24. Dezember zu tun hätte."

Dass ein Verbot von Weihnachtstraditionen bis zu einem bestimmten Termin nun ernsthaft auf der politischen Agenda landen wird, ist ohnehin fraglich. CDU-Generalsekretär Peter Tauber mokierte sich gestern, solange Deutschland über Stichtage für den Verkauf von Lebkuchen rede, "muss es dem Land verdammt gut gehen". Woanders hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten der Händler freilich bereits beschnitten. So hat der Staat einem ausufernden Silvester-Geschäft den Riegel vorgeschoben. Der Verkauf der meisten Feuerwerkskörper und Böller ist nur in der Zeit vom 29. bis 31. Dezember erlaubt. Im Gegensatz zu Feuerwerkskörpern geht von den weihnachtlichen Kalorienbomben allerdings eher wenig Gefahr aus.
Saarländer gegen Weihnachten im September


Nein, Weihnachten muss nicht schon im September sein. Das sehen zumindest viele Saarländer so. Bei einer Umfrage in der Saarbrücker Innenstadt lehnen viele den frühen Verkauf von Weihnachtsartikeln ab. "Schokoweihnachtsmänner Ende September finde ich schrecklich", sagt Carmen Belmote. Die Spanierin, die seit 44 Jahren im Saarland lebt, fürchtet, dass man wegen des "Konsumterrors" schon im Dezember keine Lust mehr auf Weihnachten habe. Ähnlich sieht es Hans Pflaum. Der Rentner habe früher selbst in einem Warenhaus gearbeitet: "Zu meiner aktiven Zeit gab es diese frühen Angebote noch nicht. Aber der Verbraucher fordert das ein. Die Geschäfte richten sich nach der Nachfrage."

Für Werner Nöthen aus Gersweiler ist die Sache klar. "Man sollte sich nach der Jahreszeit richten", sagt er. "Wenn es herbstlich wird und die Ernte abgeschlossen ist, kann es langsam weihnachtlich werden. Aber nicht früher." Seine Frau Gerda Nöthen fürchtet, dass das, was jetzt in den Supermarkt-Regalen stehe und auf Vorrat produziert wurde, auch nicht sonderlich frisch sein könne.

Das sieht die Süßwarenhändlerin Anne Cecilie Bourdon aus der Fröschengasse ganz ähnlich. "Ich warte bewusst bis Anfang November mit den Weihnachtsartikeln", sagt sie. Die würden dann auch "frisch" geliefert. "Lagerware gibt es keine." bub

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