Last-minute-Geschacher um Peter Müllers Wahl

Saarbrücken. Die berufliche Zukunft des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller wird heute morgen an einem Frühstückstisch im Berliner Regierungsviertel besiegelt. In der schleswig-holsteinischen Landesvertretung treffen sich um halb neun die 16 Ministerpräsidenten, um Tagesordnungspunkt 59 der Bundesratssitzung vorzubereiten, die direkt im Anschluss beginnt

Heute fällt in Berlin die Entscheidung um Peter Müllers berufliche Zukunft. Foto: Becker&Bredel

Heute fällt in Berlin die Entscheidung um Peter Müllers berufliche Zukunft. Foto: Becker&Bredel

Saarbrücken. Die berufliche Zukunft des ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller wird heute morgen an einem Frühstückstisch im Berliner Regierungsviertel besiegelt. In der schleswig-holsteinischen Landesvertretung treffen sich um halb neun die 16 Ministerpräsidenten, um Tagesordnungspunkt 59 der Bundesratssitzung vorzubereiten, die direkt im Anschluss beginnt. Hinter verschlossenen Türen werden die Regierungschefs entscheiden, ob sie grünes Licht für Müllers Wahl zum Bundesverfassungsrichter geben. Müllers Chancen stehen gut, seit gestern Abend sehr gut.Die Ausgangslage ist klar: Die Union, die das Vorschlagsrecht für die Nachfolge des ausscheidenden Verfassungsrichters Udo Di Fabio hat, hat Müller nominiert. Da die Wahl im Bundesrat aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordert, ist die Union nicht nur auf die Stimmen der eigenen CDU/FDP-Länder angewiesen, sondern auch auf die einiger SPD-Länder. Bei einem Treffen im Weinkeller der rheinland-pfälzischen Landesvertretung einigten sich die SPD-Ministerpräsidenten gestern Abend, Müller mitzuwählen. Man wolle kein Exempel statuieren, hieß es. Heißt wohl: Die Sozialdemokraten sagen Ja - damit die Union künftig auch die Richtervorschläge der SPD mitträgt. Dem Vernehmen nach liefen bis zuletzt noch Gespräche zwischen den Parteien über ein "Personalpaket" für künftige Stellenbesetzungen.

Die stärksten Vorbehalte gegen eine Wahl Müllers gab es Unionskreisen zufolge bis zuletzt nicht bei den SPD-Ländern, sondern ausgerechnet beim eigenen Koalitionspartner FDP. Wie die SZ gestern erfuhr, fühlen sich die Liberalen in den fünf schwarz-gelben Landesregierungen bei der Personalie Müller übergangen. Die FDP-mitregierten Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Sachsen bringen im Bundesrat zusammen 25 Stimmen auf die Waage und könnten die Wahl Müllers damit theoretisch verhindern. Dass sie sich am Ende wirklich querstellen, gilt jedoch als unwahrscheinlich - zumal die SPD zustimmen will. Ein Nein der Liberalen wäre ein beispielloser Affront gegenüber dem Koalitionspartner. Im Grunde, so ist zu hören, wäre die schwarz-gelbe Koalition im Bund damit am Ende. Die saarländische Landesregierung, in der die FDP ebenfalls vertreten ist, wird ihre drei Stimmen in jedem Fall für ihren einstigen Chef abgeben.

Die Argumente für und gegen den Wechsel des 56-Jährigen ans Bundesverfassungsgericht sind ausgetauscht. Gestern lieferten sich die linksliberale Wochenzeitung "Die Zeit" und die konservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung" noch einmal ein publizistisches Fernduell um diese Frage. Die "Zeit" sprach von einem "beispiellosen Vorgang", bei dem der Eindruck erweckt werde, "ein Richterstuhl solle zum Vorruhestandsplätzchen für einen amtsmüden Regierungschef werden". Das Hamburger Blatt führte zwei Gründe gegen die Wahl Müllers an, die in dieser oder einer ähnlichen Form in den vergangenen Wochen auch aus SPD, FDP und Grünen zu hören waren: Erstens seine marginale Erfahrung als Richter - in der Tat hatte Müller vor seiner erstmaligen Wahl in den Landtag im Jahr 1990 nur vier Jahre am Amtsgericht Ottweiler und am Landgericht Saarbrücken gearbeitet. Zweitens stehe Müller "im Geruch, zu nahe bei denen zu sein, deren Entscheidungen er als Richter zu kontrollieren hätte". Schon der Verdacht, Müller sei nicht ganz unbefangen, reiche, um seine Autorität und die des Gerichts zu schwächen.

Ganz anders argumentiert die "FAZ": Das Bundesverfassungsgericht sei ein Gericht, dessen Entscheidungen politische Gründe zugrunde lägen: "Das Bundesverfassungsgericht ist ein politisches Gericht, das nur juristische Entscheidungen produziert." In den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik seien daher regelmäßig aktive Politiker nach Karlsruhe geschickt worden; erst in jüngerer Zeit habe sich das höchste deutsche Gericht "zum fast geschlossenen Club der Professoren und Bundesrichter" entwickelt. Am Obersten US-Gerichtshof habe dies zu Dogmatismus und Polarisierung geführt; ein politischer Praktiker könne hingegen "Realismus" einbringen. Ähnlich argumentiert der frühere stellvertretende Präsident des Verfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz: Unter den ganzen Professoren sei ein erfahrener Politiker "ein Gewinn für das Bundesverfassungsgericht".

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