Lammert hat genug von großer Koalition

Berlin · Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU ) hofft für das Wahljahr 2017 auf ein Ende der großen Koalition im Bund. "Es wäre nicht gut, wenn ein drittes Mal seit 2005 ein Bündnis zwischen Union und SPD die Regierungsverantwortung übernehmen müsste", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Lammert sieht im kommenden Herbst nicht nur die Parteien, sondern auch die Wähler in der Pflicht. Es sei "nicht überzeugend", wenn die Wähler einerseits möglichst viele unterschiedliche Gruppierungen im Parlament haben wollten, sich dann aber andererseits über die schwierige Regierungsbildung beklagten. Mit dem Aufschwung der AfD und dem Wiedererstarken der FDP zeichnet sich in Umfragen ab, dass nach der Wahl im September 2017 sechs Parteien im Bundestag sitzen. Damit würde die Bildung einer Regierungsmehrheit deutlich komplizierter. In der laufenden Legislaturperiode sind CDU /CSU , SPD , Linke und Grüne im Parlament vertreten.

Auch aus Sicht des Bremer Bürgermeisters Carsten Sieling (SPD ) treten in der großen Koalition immer deutlicher die Differenzen zutage. Er sagte: "Die Gemeinsamkeiten zwischen Union und SPD in der Koalition sind aufgebraucht." Die CDU lasse sich zunehmend von der Politik der AfD treiben. "Das ist gefährlich." Es sei Zeit für alle, sich nach weiteren tragfähigen politischen Konstellationen umzuschauen. "Was wir nicht wollen, ist der österreichische Weg der großen Koalition auf Ewigkeit. Das stärkt nur die Ränder."

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) sieht allerdings wenig Aussichten für eine schwarz-grüne Koalition. Die Grünen hätten "ein komplett anderes Weltbild".

Meinung:

Ergebnisse sind entscheidend

Von SZ-Korrespondent Werner Kolhoff

Die große Koalition ist ein Paradoxon. Keiner will sie wirklich, und dennoch kriegt Deutschland sie immer wieder. Derzeit amtiert schon die dritte, die vierte naht. Große Koalitionen sind nicht gerade demokratieförderlich. In Österreich haben sie die Volksparteien regelrecht ruiniert. Kein Wunder, dass Herzensdemokraten wie Parlamentspräsident Norbert Lammert vor einer Wiederholung warnen. Und dass auch viele Mitglieder von Union und SPD sich nach Alternativen sehnen. Doch dazu müssten diese Alternativen, Ampel-Koalition, Rot-Rot-Grün, Schwarz-Grün, was auch immer, überhaupt erst einmal durchdacht sein, müsste es Konturen für andere Regierungsprogramme geben. Das würde die Phantasie wecken. Die SPD hat wenigstens begonnen, erste Gesprächsfäden zu knüpfen. Doch Angela Merkel setzt auf die große Koalition. Vielleicht muss man sich aber von der alten, strengen Farbenlehre verabschieden. Vielleicht muss wichtiger sein, wie handlungsfähig ein Regierungsbündnis ist und wie vertrauenserweckend seine Politiker. Auf das Ergebnis einer Koalition kommt es an. Nicht, wie sie heißt.

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