Kulturkampf unter den Schwesterparteien

Das ist ein richtiger Kulturkampf", sagt eine CDU-Staatssekretärin auf die Frage, warum die bayerischen CSU-Frauen unbedingt das Betreuungsgeld wollen. "Die ticken anders." Eine andere, ebenfalls Regierungsmitglied, sagt spöttisch: "Vielleicht wird uns das Horst Seehofer heute Abend mal erklären

 Die Parteichefs Horst Seehofer und Angela Merkel sind sich beim Betreuungsgeld einig - die Basis von CSU und CDU nicht. Foto: Millauer/dpa

Die Parteichefs Horst Seehofer und Angela Merkel sind sich beim Betreuungsgeld einig - die Basis von CSU und CDU nicht. Foto: Millauer/dpa

Das ist ein richtiger Kulturkampf", sagt eine CDU-Staatssekretärin auf die Frage, warum die bayerischen CSU-Frauen unbedingt das Betreuungsgeld wollen. "Die ticken anders." Eine andere, ebenfalls Regierungsmitglied, sagt spöttisch: "Vielleicht wird uns das Horst Seehofer heute Abend mal erklären." Der CSU-Chef spart das Thema bei seinem Kurzauftritt vor den Delegierten des Leipziger CDU-Parteitages lieber aus. Er hätte nur die Stimmung verdorben.CDU und CSU sind Schwesterparteien, aber die Schwestern in ihnen verstehen sich nicht mehr, seit die CSU vorletzten Sonntag im Koalitionsausschuss die Einführung eines Betreuungsgeldes für Eltern durchgesetzt hat, die ihr Kind zu Hause lassen. 100 Euro monatlich bar auf die Hand ab 2013. Das wühlt in Leipzig die weiblichen CDU-Delegierten auf, die Frauen-Union ist regelrecht emotionalisiert, denn das Betreuungsgeld untergräbt das Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und dahin hat man sich in der CDU mühsam hingearbeitet. "Ich war anfangs auch skeptisch beim Krippenausbau", sagt Roswitha Schenk, 62, aus dem Rems-Murr-Kreis, die ihre beiden Kinder zu Hause erzogen hat. "Aber dann habe ich die jungen Frauen gefragt, und sie alle sagen, sie brauchen gute Betreuungsmöglichkeiten." Als neben ihr der Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer applaudiert, weil Kanzlerin Merkel gerade den Koalitionskompromiss zum Betreuungsgeld verteidigt hat, zischt Schenk ihn an: "Was klatscht du da?"

Im Vorfeld des Parteitages hat es mehr als nur ein Zischen gegeben. Letzte Woche löste Volker Kauder in der Bundestagsfraktion helle Empörung aus, als er den Frauen indirekt unterstellte, ihr "christliches Menschenbild" sei wohl nicht ganz in Ordnung, wenn sie das Betreuungsgeld ablehnten. Die Frauen fühlten sich absichtlich missverstanden, es soll sogar Tränen gegeben haben. Der Fraktionsvorsitzende musste sich später bei einem eigens anberaumten Treffen mit dem weiblichen Abgeordneten entschuldigen.

Auch im CDU-Bundesvorstand geht es am Vorabend des Parteitages hoch her. Die Frauen-Union will in Leipzig beschließen lassen, dass das Betreuungsgeld, wenn überhaupt, nur als Sachleistung ausgezahlt wird, damit nicht Familien mit geringem Einkommen wegen der 100 Euro ihre Kinder aus den Kitas nehmen. Der Vorstand will neuen Krach mit der CSU vermeiden und diesen Antrag an die Fachgremien der Partei überweisen lassen, eine Beerdigung dritter Klasse. Die Frauen drohen daraufhin mit Kampf. Sie lenken erst ein, als die Führung verspricht, im Gegenzug einen Beschluss von 2003 umzusetzen: Die bessere Anerkennung von Erziehungszeiten bei der Rente soll jetzt tatsächlich kommen. So wird schließlich abgestimmt.

Für neuen Unmut sorgt auf dem Parteitag aber eine Interviewäußerung von CSU-Sozialministerin Christine Haderthauer. Ihr Satz, das Betreuungsgeld solle sich "für die vollzeitbeschäftigte Managerin mit Kinderfrau" ebenso eignen wie für eine teilzeitbeschäftigte Krankenschwester mit Tagesmutter, zieht Kreise. Geht es der CSU bloß noch um ein Anti-Krippen-Gesetz, gar nicht um die Kinderbetreuung daheim? Eine CDU-Politikerin mit hohem Regierungsamt verdreht die Augen: "Das ist ja nur noch der blanke Irrsinn."

CDU-Familienministerin Kristina Schröder will erst mal abwarten, welche Vorschläge zu den Auszahlungsmodalitäten noch so kommen, ehe sie einen Gesetzentwurf vorlegt. Aber dass man schlecht eine Bundesleistung, das Betreuungsgeld, an die Nichtnutzung einer kommunalen Leistung koppeln könne, was der Krippenbesuch ist, rein rechtlich gesehen, das wird aus ihrer Umgebung schon mal klargestellt. Bei den CDU-Frauen will niemand das Betreuungsgeld. Jedenfalls nicht als Barleistung. Bei der FDP sowieso nicht. Nur die CSU will es. "Vielleicht", versucht sich Ingrid Petzold, Chefin der Frauen-Union Sachsen, mit einer Erklärung, "denken unsere Parteifreunde in Bayern bloß, dass die bayerischen Frauen so was wünschen. Vielleicht irren sie sich einfach".

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