Kür mit vielen HindernissenClint Eastwood und der leere Stuhl

Tampa/Florida. Clint Eastwood ist der "Überraschungsgast" beim Parteitag der US-Republikaner, über den tagelang gerätselt wurde. Der Filmstar bekommt die beste Sendezeit, nur kurz vor der großen Rede von Mitt Romney darf er auf die Bühne. Die Spannung könnte kaum größer sein. Schon als er große alte Mann im Rampenlicht erscheint, bricht tosender Beifall los

Tampa/Florida. Clint Eastwood ist der "Überraschungsgast" beim Parteitag der US-Republikaner, über den tagelang gerätselt wurde. Der Filmstar bekommt die beste Sendezeit, nur kurz vor der großen Rede von Mitt Romney darf er auf die Bühne. Die Spannung könnte kaum größer sein. Schon als er große alte Mann im Rampenlicht erscheint, bricht tosender Beifall los. "Danke, lasst noch etwas für Mitt übrig." Das klingt cool. Doch was sofort auffällt: Die Stimme des 82-Jährigen ist dünn und brüchig geworden.Ein gewagter Auftritt: Der Mann, der sein Leben lang als unbarmherziger Rächer in Italo-Western ("Für eine Handvoll Dollar") oder als knallharten Polizist ("Dirty Harry") Furore machte, liefert einen Sketch, ein "Gespräch mit einem leeren Stuhl", auf dem der unsichtbare Barack Obama sitzen soll.

"Mr. President, wie halten Sie es mit Ihren Versprechen, die Sie nicht gehalten haben?", fragt der sichtlich gealterte Eastwood. "Ich war zwar kein großer Unterstützer von Obama... Aber es haben alle geweint. Oprah (Winfrey) hat geweint. Auch ich habe etwas geweint." Er habe nicht mehr so geweint, bis er erfahren habe, dass es in Amerika 23 Millionen Arbeitslose gibt. "Das ist ein echter Grund zu weinen... Das ist eine Schande. Vielleicht ist es einfach Zeit, dass ein anderer kommt und die Probleme löst." Die Zuhörer reißt es förmlich von den Stühlen.

Doch manche fragen sich, ob sich der Ex-Western-Star nicht schlichtweg im Genre vertan hat. Ironie und Witz, Slapstick und Komik waren bisher jedenfalls nicht sein Metier. Meint der bekennende Republikaner es ernst, oder ist alles nur Spaß, fragen sich viele. Vor allem in der Twitterszene ist die Erregung groß. So meint etwa der politische Analyst Larry Sabato in einem Tweet: "Ich würde mich besser fühlen, wenn ich sicher wüsste, dass Clint nicht jemand auf dem Stuhl sitzen sieht." Doch der Parteitag lacht, dass sich die Balken biegen. Kein Zweifel: Auch an seinem vielleicht nicht besten Tag bringt der Star, der mit seinem Republikaner-Drall eine Rarität im "linken Hollywood" ist, noch einiges zustande. "Was meinen Sie mit ,Halt den Mund', Mr. President", raunzt er den unsichtbaren Präsidenten an. "Ich rede jetzt." dpa

Tampa/Florida. Erst wirbelte Hurrikan "Isaac" die sorgfältig vorbereitete Choreografie durcheinander. Dann lenkte der Sturm im Kopf eines alternden Schauspielers von dem Höhepunkt des Parteitages ab. Am Tag nach der "Republican Convention" sprechen die Amerikaner nicht über den Kandidaten, sondern über den bizarren Auftritt Clint Eastwoods, den das Team Romney als Überraschungsgast zur besten Sendezeit auf die Bühne schickte und der sich ziemlich wirr präsentierte (siehe Text daneben).

Die Parteitagsplaner haben sich dieses Desaster selbst zu verdanken. Verschenkten sie damit doch kostbare Zeit, Romney dem vermutlich größten Fernsehpublikum bis zu den Wahlen im November vorzustellen. In jedem Fall zerstörten sie den sorgfältig aufgebauten Spannungsbogen, der zu dem großen Moment hinführen sollte: der Rede Mitt Romneys.

Tea-Party-Liebling und Jung-Senator aus Florida Marco Rubio hatte seine Mühe, die Aufmerksamkeit zurück auf "einen speziellen Mann für spezielle Zeiten" zu lenken. Der marschierte dann kurz nach halb elf über einen roten Teppich in den "Tampa Bay Convention Center" ein. Wie beim Einzug des Präsidenten zur "State-of-the-Union" schüttelte Romney Hände und verteilte Küsschen.

Romney widmete einen erheblichen Teil der 38 Minuten langen Rede seiner Familie. Er erzählte Anekdoten über seine Eltern, schwärmte über seine große Liebe Ann und beschrieb ein heimisches Idyll, das mit den "Waltons" konkurrieren könnte. Auch sein Mormonentum erwähnte er kurz. "Meine Freunde interessierten sich damals mehr, welchem Sportteam ich anhänge als zu welcher Kirche ich gehe."

Einiges von dem tauchte in einem Video auf, das zu Beginn der "Primetime" über die Schirme der Parteitagshalle flimmerte. Zuvor traten Redner auf, die den Kandidaten "menschlicher" machen sollten - wie etwa dessen Sohn Craig. Romney ließ es menscheln, weil er weit hinter den Beliebtheitswerten des Präsidenten liegt. 50 Prozent der Amerikaner haben von dem Herausforderer bereits zu diesem Zeitpunkt eine negative Meinung.

Der politische Teil Romneys Ausführungen zielte darauf ab, die Enttäuschung ehemaliger Obama-Wähler in Stimmen umzumünzen. Der Kandidat versprach zu tun, was Obama nicht geschafft habe. Zusammen mit seinem "Running Mate", dem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft, Paul Ryan werde er zwölf Millionen Arbeitsplätze schaffen. "Obama versprach, das Ansteigen der Ozeane zu verlangsamen und den Planeten zu heilen. Ich verspreche, Ihnen und Ihren Familien zu helfen."

Ein ums andere Mal beschwor Romney in einer betont patriotischen Rede die nostalgische Erinnerung an vergangene Zeiten. "Ich bin in der Mitte des Jahrhunderts in der Mitte des Landes geboren worden." Amerikaner zu sein, habe damals bedeutet, davon auszugehen, das alle Dinge möglich seien. Heute glaubten die Amerikaner nicht mehr, "dass die Zukunft besser werde als die Vergangenheit". Zur Außenpolitik sagte der Kandidat so gut wie nichts. Und was er zu Protokoll gab, besorgt viele Kommentatoren, die in dem Säbelrasseln gegen Iran und den direkten Angriff auf Wladimir Putin düstere Vorboten einer Politik eines George W. Bushs sehen.

Während "New York Times" die Kandidatenrede als "banal" abtat, fand John McCains ehemaliger Wahlkampfmanager Steve Schmitt, Romney habe "nicht die beste Rede des Parteitags, aber die beste seines Lebens gehalten." Ob ihm dies in den Umfragen hilft, wird sich zeigen. Von Dienstag an gehört die Bühne den Demokraten, die dann in Charlotte die Möglichkeit haben, ihre Alternative zu präsentieren.

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