Künftig vier Top-Jobs in Europa

Was habe ich als EU-Bürger eigentlich von dem neuen Vertrag?Es gibt tatsächlich ein paar spürbare Auswirkungen - zum Beispiel die Möglichkeit, ein europäisches Volksbegehren anzustrengen. Eine Million Unterschriften aus allen 27 Ländern bewirkt, dass die EU-Kommission das Thema aufgreifen muss

Was habe ich als EU-Bürger eigentlich von dem neuen Vertrag?

Es gibt tatsächlich ein paar spürbare Auswirkungen - zum Beispiel die Möglichkeit, ein europäisches Volksbegehren anzustrengen. Eine Million Unterschriften aus allen 27 Ländern bewirkt, dass die EU-Kommission das Thema aufgreifen muss. Außerdem können EU-Bürger nun vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg klagen, wenn es um das Gemeinschaftsrecht geht. Ein großer Teil der Konsequenzen wird aber nur indirekt sein - zum Beispiel, wenn sich Städte und Gemeinden gegen einen Vorstoß aus Brüssel wehren.

Was bringt die viel zitierte Aufwertung des Europäischen Parlaments?

Die Straßburger Volksvertretung ist das einzige EU-Gremium, das demokratisch gewählt wird. Bisher durften die Abgeordneten in der Innen- und Rechtspolitik, aber auch bei der Landwirtschaft nicht mitentscheiden. Nun sind sie auch dafür verantwortlich. Das hat durchaus Auswirkungen auf den Bürger. Am gestrigen Montag haben die EU-Innenminister beispielsweise noch schnell den USA erlaubt, künftig den Finanzverkehr der EU mit dem Ausland zu durchstöbern. Hätte das Parlament bereits ein Recht zur Mitentscheidung gehabt, hätte es das Abkommen verhindert, weil der Datenschutz kaum geregelt ist.

Die EU hat jetzt insgesamt vier Präsidenten. Wer ist der nun der eigentlich starke Mann in Europa?

Tatsächlich gibt es vier Topjobs in Europa: den ständigen Präsidenten des Europäischen Rates (Herman Van Rompuy), den Ratspräsidenten (Fredrik Reinfeldt), den Präsidenten der Kommission (José Manuel Barroso) und des Europäischen Parlamentes (Jerzy Buzek, Fotos: dpa/afp). Die müssen sich erst einmal zusammenraufen, zumal nicht alle Aufgaben schon klar sind. Der starke Mann dürfte aber auch in Zukunft Kommissionschef Barroso sein.

Geht mit den neuen Mehrheiten in den Ministerräten jetzt alles schneller?

Der Zwang zur Einigkeit hat bisher viele Entscheidungen gebremst. Künftig reicht eine Mehrheit von 55 Prozent der Länderstimmen, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Die Frage wird aber sein, ob man es wagt, diesen Weg zu gehen. Denn die Niederlage eines Mitgliedslandes dürfte kaum eine gute Voraussetzung sein, um Gesetze durchzusetzen.

Kann ein Mitgliedsland eigentlich aus der EU wieder austreten?

Ja, der EU-Vertrag regelt zum ersten Mal die Möglichkeit, die Gemeinschaft auch wieder zu verlassen.

Die Charta der Grundrechte wird verbindlich. Aber sie gilt nicht in allen Ländern. Warum nicht?

In Großbritannien hatte man Angst, dass die Bürger daraus rechtsverbindliche Forderungen zum Beispiel auf einen Arbeitsplatz ableiten könnten. In Polen und Tschechien fürchtete man Entschädigungsansprüche Vertriebener.

Der Vertrag enthält auch Regelungen über militärische Einsätze. Werden unsere Soldaten jetzt schneller und öfter in Krisenherde entsandt?

Damit ist - zumindest auf dem Papier - nicht zu rechnen. Die Genehmigungsprozedur ist kompliziert, weil man auf nationale Eigenheiten Rücksicht nehmen musste. Für Deutschland gilt: Auch in Zukunft hat der Bundestag das letzte Wort.

Das Bundesverfassungsgericht hat einige Einwände gegen den Lissabonner Vertrag erhoben. Was ist daraus geworden?

Die Kritik der Richter betraf nicht den Reformvertrag selbst, sondern das Mitwirkungsrecht der Bundestagsabgeordneten. Bei der Überarbeitung wurde dann noch einmal herausgestellt, was der Lissabonner Vertrag ohnehin fordert: Die EU-Kommission muss Gesetzentwürfe rasch den Parlamenten der 27 Mitgliedstaaten weiterleiten, die ein Veto-Recht haben. Allerdings sollte der Bundestag dann zügig beraten und Korrekturen nach Brüssel weitergeben.

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