Krönt sich die Generation Sommermärchen?

Vor der Krönungsfeier steht ein immens wichtiger Satz. Philipp Lahm (30) hat ihn gesagt.

Er lautet: "Wir sind erst dann eine goldene Generation, wenn wir einen Titel gewonnen haben." Wir, das sind neben Kapitän Lahm seine Altersgenossen Bastian Schweinsteiger (29), Per Mertesacker (29) und Lukas Podolski (29). Mit ihnen kehrte die DFB-Auswahl 2006 aus dem tiefen Tal der Rumpelfußballer in die Riege der Top-Teams zurück. Jetzt steht die "Generation Sommermärchen" vor ihrer Vollendung. Morgen kann sie in Rio de Janeiro gegen Argentinien Weltmeister werden. Unterstützt von den U21-Europameistern von 2009.

Die Hauptdarsteller des Sommermärchens sind inzwischen in die Jahre gekommen. Zwar sind es die besten Fußballerjahre. Aber sie sind eindeutig in jener Karrierephase, in der das Ende absehbar ist. "Es ist gut möglich, dass es meine letzte WM ist", räumte Lahm bereits ein. Und das gilt auch für Mertesacker, Podolski und Schweinsteiger. Über die Vorfreude auf das erste WM-Finale in ihrer gemeinsamen Karriere reden Lahm und Schweinsteiger wie aus einem Munde. Sie sind die beiden aus der vermeintlich goldenen Generation, die morgen auf jeden Fall in der Startelf stehen werden. Im Klubfußball haben sie sich beide gemeinsam schon unsterblich gemacht. Das dritte ihrer Champions-League-Endspiele gewannen sie mit dem FC Bayern München in London gegen Borussia Dortmund (2:1). Sie wissen also, wie man die Karriere vergoldet. Die Erfahrung aus großen, entscheidenden Spielen nehmen sie mit auf den Rasen von Maracanã, diesen Sehnsuchtsort der Fußball-Romantiker, in dem allen Unkenrufen zum Trotz noch immer ein Rest des alten Zaubers wohnt.

Das Grundgerüst der A-Nationalmannschaft bilden inzwischen aber die Jahrgänge 1986 bis 1988, der Titel-Jahrgang von 2009. Neuer im Tor, Hummels und Boateng in der Innenverteidigung, davor Khedira auf der defensiven Mittelfeldposition und Mesut Özil als offensiver Freigeist. Es sind Spieler, die sich nicht nur aus der U21-Nationalmannschaft kennen, sondern auch aus vielen anderen Nachwuchsteams. Und zweifelsohne ist es von Vorteil, wenn man die Lauf- und Passwege des anderen kennt. Aber es ist nicht nur das Spielerische, es sind nicht nur die Bewegungsabläufe, die diese Spieler zu einer Einheit machen. Es sind auch sechs Akteure, die für ein modernes Deutschland stehen. Nach dem Europameistertitel mit der U21 vor fünf Jahren wurde der deutsche Fußball national und international für sein neues Gesicht gefeiert. Khedira, Özil und Boateng standen aufgrund der Herkunft ihrer Eltern sinnbildlich für eine offene, tolerante Gesellschaft.

2010, bei der WM in Südafrika, waren bereits vier der ehemaligen U21-Akteure A-Nationalspieler (Hummels und Höwedes fehlten). Die Welt bejubelte Deutschland für seinen Jugendstil, für sein neues, freches Gesicht. Bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine standen gar sieben ehemalige Jugend-Europameister im deutschen Kader. Marcel Schmelzer, den Löw vor dieser WM nach längerer Verletzungspause gestrichen hatte, gehörte damals auch noch dazu. Es wirkt, als hätten all die Triumphe und Tragödien der vergangenen Jahre die ehemaligen U21-Spieler noch näher zusammengeführt. "Wir haben gemeinsam gelernt, die Dinge richtig einzuordnen. Hier hebt niemand nach einem Sieg ab und keiner verzweifelt an einer Niederlage. Wir gehen mit unseren Leistungen sehr sachlich um", sagte Hummels, der neben Khedira und Neuer mittlerweile zu den Wortführern in der Nationalmannschaft gehört, in "Spiegel-online".

Die ehemaligen Juniorennationalspieler werden wohl auch in Zukunft das Grundgerüst der Nationalmannschaft stellen. Sie sind alle zwischen 25 und 27 Jahren alt, mindestens eine Welt- und Europameisterschaft können sie noch problemlos gemeinsam spielen. Selbst wenn es am Sonntag nicht reichen sollte, haben sie noch Zeit für den ganz großen Triumph. Anders als Lahm und Co. Gehen sie als Verlierer vom Platz, bleibt die Generation Sommermärchen eine unvollendete. Deswegen hörte sich Lahms Wort zum Sonntag auch schon wie eine Beschwörung an. "Wir wollen den Titel endlich nach Hause holen", sagte er. Die Betonung lag auf "endlich". Und, natürlich, "wir sind total fokussiert". Das muss jeder Spieler einmal am Tag öffentlich sagen.

Zum Thema:

Sieben Mal Finale1954: Unvergesslich Herbert Zimmermann : "Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Tor, Tor, Tor, Tor!" 3:2-Sieg gegen Ungarn.1966: Tor oder nicht Tor, das war nie die Frage - für deutsche Fußballfans: Niemals war der Schuss Geoff Hursts zum 2:3 für England drin. Endstand: 2:4.1974: 42. Minuten sind gegen Holland gespielt, als Gerd Müller an den Ball kommt: Drehung und Flachschuss ins linke Eck zum 2:1. Weltmeister !1982: Paolo Rossi traf zum 1:0 für Italien. Tardelli und Altobelli erhöhten. Breitners 1:3 war Kosmetik. 1986: "Toni, halt den Ball" rief ZDF-Reporter Rolf Kramer, aber es war nicht der Tag von Toni Schumacher. Der ArgentinierBurruchaga traf zum 2:3 (82). 1990: Nach einem Foul an Rudi Völler verwandelte Andreas Brehme einen Elfer zum 1:0 gegen Argentinien . Jaaaaa, Weltmeister !2002: Der Brasilianer Ronaldo erzielte in der 67. Minute nach einem Patzer von Torhüter Oliver Kahn das 0:1. Am Ende hieß es 0:2 und nicht nur Kahn ließ den Kopf hängen. tog

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort