Kritik nur hinter vorgehaltener Hand

Berlin. Offiziell stehen die Führungskräfte der Koalition hinter Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: dapd), hinter seiner Reise samt Ehefrau Stephanie und Talkmaster Johannes B. Kerner zur Bundeswehr in Afghanistan. In Wahrheit brodelt es aber bei Union und FDP gewaltig - die Selbstinszenierung des Verteidigungsministers und seiner Gattin geht vielen inzwischen mächtig auf den Geist

Berlin. Offiziell stehen die Führungskräfte der Koalition hinter Karl-Theodor zu Guttenberg (Foto: dapd), hinter seiner Reise samt Ehefrau Stephanie und Talkmaster Johannes B. Kerner zur Bundeswehr in Afghanistan. In Wahrheit brodelt es aber bei Union und FDP gewaltig - die Selbstinszenierung des Verteidigungsministers und seiner Gattin geht vielen inzwischen mächtig auf den Geist. Zumal der Trip des Ministers samt großem Gefolge so kurz vor der politischen Weihnachtspause zu einem gefundenen Fressen für die Opposition geworden ist.

Die Reise an den Hindukusch wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. Zum einen morgen, wenn Außenminister Guido Westerwelle (FDP) eine Regierungserklärung zur Lage in Afghanistan abgeben wird. In der anschließenden Debatte will die Opposition Guttenbergs Tour genüsslich weiter zerreißen. Überdies hat der Grüne Christian Ströbele beim Verteidigungsministerium nachgefragt, ob der Minister noch mehr "Unterhaltungs-Medienschaffende" mitgenommen habe, welche Kosten für die öffentliche Hand entstanden seien und welchem dienstlichen Zweck "die Mitnahme von Herrn Kerner" gedient habe. Die Antworten des Ministeriums stehen noch aus - die Opposition hofft auf zusätzlichen Ärger für Guttenberg.

Noch wiegeln hochrangige Koalitionäre ab: Kerner sei ein "seriöser Moderator", außerdem komme es darauf an, was die Soldaten vor Ort richtig fänden, so der parlamentarische Geschäftsführer der Union, der Saarländer Peter Altmaier (CDU). Und die hätten schließlich mit "Begeisterung" reagiert, ergänzt CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Allein das zähle, nicht die Schelte der Medien. Friedrich weiter: Die "Kriegsberichterstattung aus dem Ersten Weltkrieg" habe sich noch auf Kohlezeichnungen beschränkt. Heute gebe es eben "andere, ganz neue Formen", wie man der heimischen Bevölkerung die Situation verdeutliche - über Talksendungen à la Kerner zum Beispiel. Also alles ganz normal. Die Union versucht zudem, das Augenmerk auf SPD-Chef Sigmar Gabriel zu lenken, der Guttenberg höhnisch empfohlen hatte, doch demnächst das blonde Promi-Sternchen Daniela Katzenberger mitzunehmen. "Ich glaube, es ist eine Beleidigung unserer Soldatinnen und Soldaten, dass ihnen Herr Gabriel seine eigene offensichtliche Primitivfantasie unterstellt", ätzt Friedrich gegen den Genossen.

Tiefstapeln, zurückschießen, das ist jetzt die amtlich vertretene Linie. Hinter den Koalitions-Kulissen sind allerdings bereits ganz andere, kritische Töne zu hören, und zwar bis in die oberen Führungsreihen hinein. Problematisch sei die "Show" des Ministers, die Soldaten seien doch nur Staffage, und dass er es übertreibe. Zaghaft melden sich sogar erste Kritiker aus dem Regierungsbündnis öffentlich zu Wort: "Ich würde dem Minister zu mehr Zurückhaltung raten und ihm stattdessen empfehlen, die nach wie vor bestehenden Ausbildungs- und Ausrüstungsdefizite bei der Truppe zeitnah zu beheben", so die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff. Bei Schwarz-Gelb glaubt man zudem, dass die anhaltende Diskussion über die Reise dem Image Guttenbergs erste Kratzer versetzen könnte. Und nicht jeder ist darüber unglücklich: Schon länger wird geraunt, dass sein rasanter Höhenflug zum beliebtesten Politiker Guttenberg womöglich etwas zu Kopf gestiegen sein könnte.

Hintergrund

Die SPD-Spitze will schon ab Mitte 2011 mit dem Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan beginnen und ihn spätestens 2015 abschließen. Die Bundesregierung müsse alles daran setzen, den Rückzug der Bundeswehr parallel zu dem für Juli angekündigten Beginn der Reduzierung der US-Truppen einzuleiten, heißt es in einem Positionspapier, das die SPD-Spitze gestern auf einer Afghanistan-Konferenz ihrer Partei vorlegte. Der Einsatz solle "im Korridor 2013 bis 2015" beendet werden. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Was schenken?Alle Jahre wieder ein paar Geschenketipps aus der Redaktion, zwischen Idealistisch-Handgemachtem und schnödem Konsum, zwischen literarischer Hochkultur und Kochbüchern, Schokopulver zum Inhalieren und einem Kissen in Blutflecken-Form.
Was schenken?Alle Jahre wieder ein paar Geschenketipps aus der Redaktion, zwischen Idealistisch-Handgemachtem und schnödem Konsum, zwischen literarischer Hochkultur und Kochbüchern, Schokopulver zum Inhalieren und einem Kissen in Blutflecken-Form.