Kriegsverbrecher muss büßen: 50 Jahre Haft für Taylor

Den Haag. Die Grauen, für die Ex-Diktator Charles Taylor ein halbes Jahrhundert ins Gefängnis muss, sind unvorstellbar. Rebellen zwingen eine Frau, einen bluttriefenden Beutel zu tragen - lachend. Als der Sack geöffnet wird, sieht sie, dass die Köpfe ihrer eigenen Kinder darin sind. Einer anderen jungen Mutter reißen sie die Augen aus dem Kopf

Den Haag. Die Grauen, für die Ex-Diktator Charles Taylor ein halbes Jahrhundert ins Gefängnis muss, sind unvorstellbar. Rebellen zwingen eine Frau, einen bluttriefenden Beutel zu tragen - lachend. Als der Sack geöffnet wird, sieht sie, dass die Köpfe ihrer eigenen Kinder darin sind. Einer anderen jungen Mutter reißen sie die Augen aus dem Kopf. Sie sollte die sieben Männer nicht wiedererkennen, von denen sie zuvor vergewaltigt worden war.Taylor sei für "einige der abscheulichsten und brutalsten Verbrechen" mitverantwortlich, "die in der menschlichen Geschichte aufgezeichnet wurden", stellte Richter Richard Lussick gestern bei der Verkündung des Strafmaßes am UN-Sondertribunal in Den Haag fest. Während der Ex-Diktator schwieg, beschwor der Richter noch einmal das Leid der Opfer.

Nahezu unvorstellbare Grausamkeiten brachte der Bürgerkrieg im westafrikanischen Sierra Leone hervor. 120 000 Menschen starben. Taylor unterstützte die brutalen Kriegsherren bei ihrem Treiben und ließ sich dafür mit Blutdiamanten bezahlen. Dafür muss er nun büßen - als erstes Ex-Staatsoberhaupt seit den Nürnberger Prozessen.

Vor Gericht verantworten musste sich Taylor für seine Rolle im Zeitraum zwischen November 1996 und Januar 2002. Zwar gilt er nur als Helfer und Unterstützer der brutalen Krieger in Sierra Leone. Doch gerade Taylors Macht als Präsident des Nachbarlandes Liberia erschwert seine Schuld aus Sicht der Richter. "(Er) war Teil des (...) Friedensprozesses. Doch sein Handeln untergrub diesen Prozess", sagte Richter Lussick. In Sierra Leone löste die Entscheidung der Richter Jubel aus. In Freetown verfolgte eine Menschenmenge live die Bekanntgabe des Strafmaßes. Haja Arabiatu Sulaiman reiste eigens nach Den Haag. "Ich würde nicht sagen, dass ich glücklich bin, aber ich bin zufriedengestellt", sagte die 54-Jährige. Der Krieg hatte sie von ihren Kindern getrennt, erst nach anderthalb Jahren der Ungewissheit sah sie sie lebend wieder. "Ich war aufgebracht, als die Verteidigung sagte, sie will in Berufung gehen", fügte sie hinzu. Denn Taylor und seine Anwälte fechten die Entscheidung an. "Internationaler Blutdurst" habe das Verfahren geleitet, wetterte Verteidiger Courtenay Griffiths. Wählerisch sei die internationale Gemeinschaft in ihrer Strafverfolgung, Taylor müsse herhalten, während die Lenker mächtiger Länder unbehelligt blieben.

Auch manche Experten sehen Taylor als Sündenbock. Wenn man einzelne Täter herauspicke, erwecke dies den Eindruck, man verfolge persönliche oder politische Ziele, meinte der liberianische Menschenrechtsexperte Joseph Sherman. "Gerechtigkeit hat nichts mit einer einzelnen Person zu tun, sondern muss als Ganzes betrachtet werden. In Liberia und Sierra Leone hat jeder irgendwas Schlimmes getan." Anders sieht es Andie Lambe von der Organisation Global Witness: "Das sendet eine Botschaft an Staatschefs: Ihr werdet zur Verantwortung gezogen."

Die unzulängliche Rechtsprechung der internationalen Strafgerichte, die immer nur wenige zur Rechenschaft ziehen, räumt auch Chefanklägerin Brenda Hollis ein. "Manchmal kommt die Gerechtigkeit zu spät. Aber wer die Verantwortung trägt, ist klar: Es sind die Staaten, die Verbrecher nicht ausliefern." dpa

Foto: afp