Kriegsherr wider Willen

New York · Die USA melden sich als Führungsmacht zurück. Präsident Barack Obama, der einst mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, stellt sich an die Spitze des Kampfes gegen die Terror-Miliz IS.

Mit grimmiger Miene steht er an dem prächtigen Pult aus grünem Marmor. Vor zwölf Monaten hat er hier, in der Vollversammlung der Vereinten Nationen, noch den Plan eines Dialogs zwischen den syrischen Konfliktparteien skizziert. Heute spricht Barack Obama vom Krieg. In gut dreißig Redeminuten lächelt er kein einziges Mal. Schon sein Mienenspiel soll den Ernst der Lage spiegeln.

Vom Krebsgeschwür des gewalttätigen Extremismus in der islamischen Welt spricht Obama. Mit einer Terrormiliz wie dem Islamischen Staat (IS) könne man weder vernünftig argumentieren noch verhandeln. "Die einzige Sprache, die diese Killer verstehen, ist die Sprache der Gewalt." Daher würden die USA in einer breiten Allianz darauf hinarbeiten, dieses "Netzwerk des Todes" auseinanderzunehmen, betont Obama, der sich nicht länger nachsagen lassen möchte, er verfolge die Wirren des Nahen Ostens nur von der Seitenlinie.

Der zweite Teil seiner Botschaft richtet sich eher an seine Landsleute, die nach den Enthauptungen der Journalisten James Foley und Steven Sotloff Schläge gegen die IS-Miliz zwar mehrheitlich unterstützen, denen die bittere Erfahrung des langen Feldzugs im Irak aber noch immer in den Knochen steckt. Amerika werde nicht seine gesamte Außenpolitik am Kampf gegen Terroristen ausrichten, verspricht Obama. "Keine fremde Macht kann eine Wandlung in den Herzen und Hirnen bewirken", sagt er. "Weder werden wir sichere Häfen für Terroristen tolerieren, noch werden wir als Besatzungsmacht handeln."

Es ist die Woche des diplomatischen Hochseilakts. Gewählt, um Amerika herauszuführen aus der Sackgasse Irak , findet sich Obama in einer Rolle wieder, die er nie wollte. Er ist, genau wie sein Vorgänger, Feldherr in einem nahöstlichen Krieg. Und dennoch bemüht er sich, seine Marke zu pflegen, das Image des Anti-Bush, der in den Vereinten Nationen keinen lästigen Störfaktor sieht, sondern das zentrale Forum der Weltgemeinschaft. Drei Tage lang wirbt er in New York um Kandidaten für seine Koalition der Willigen, die die IS in die Zange nehmen soll.

Am Nachmittag Ortszeit leitet Obama eine Sitzung des Sicherheitsrats. Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte des Gremiums, dass ein US-Präsident persönlich den Vorsitz führt. Schon bei der Premiere, vor fünf Jahren, war es Obama, der sich in den Rat setzte. Damals ging es um die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, diesmal steht die Eindämmung des "Terror-Tourismus" zur Debatte. Mittels einer Resolution will Washington alle Staaten verpflichten, ihre Bürger strafrechtlich zu belangen, wenn sie ins Ausland reisen, um sich einer Terrorgruppe anzuschließen - oder aber aus einem dschihadistischen Trainingscamp zurückkehren. Pässe sollen eingezogen werden, Fluglinien vorab Passagier-Informationen liefern, wie es bei Flügen in die USA schon lange der Fall ist. Bankguthaben sollen eingefroren werden.

Klar ist aber auch, das Papier ist nur Ersatz. Eigentlich müsste der Hohe Rat über Pro und Contra der Luftoffensive debattieren, doch genau das passt dem Oval Office nicht ins Konzept. Klar ist, dass es auf Widerstand stieße, würde es sich um grünes Licht für Attacken gegen syrische Ziele bemühen. Russland würde sein Veto einlegen, die Verletzung der Souveränität seines De-facto-Verbündeten ins Feld führen. Das Kabinett Obama wiederum beruft sich auf bilaterale Verträge mit Bagdad , die nach den Worten der UN-Botschafterin Samantha Power auch grenzüberschreitende Aktionen völkerrechtlich abdecken. Das Regime Baschar al-Assads, von dessen Staatsgebiet die IS-Gefahr ausgehe, sei entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Angriffe der Miliz zu verhindern, argumentiert Power in einem Schreiben an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon . Daher habe die irakische Regierung die Amerikaner gebeten, zu Hilfe zu kommen. Es handle sich um einen legitimen Akt der Selbstverteidigung, weshalb sich die Zustimmung des Sicherheitsrats erübrige.

Zum Thema:

Ein Defekt an der Transportmaschine hat die erste deutsche Waffenlieferung an die Kurden im umkämpften Nordirak verzögert. Die Bundeswehr wollte gestern Mittag Waffen und Munition nach Bagdad schicken. Das dafür vorgesehene Flugzeug der niederländischen Luftwaffe hatte jedoch einen Defekt, teilte die Bundeswehr mit. Frühestens sollte die Maschine in der Nacht zu Donnerstag starten. Voran ging es dagegen für die sechs Ausbilder und einen Sanitäter aus dem Saarland, die seit Samstag in Bulgarien festsaßen. Die Einfluggenehmigung für den Irak lag nach Bundeswehr-Angaben gestern vor. Der Flug sollte noch am Abend starten. dpa/afp

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