Kriegsherr Blair im Zeugenstand

London. Es war der Auftritt, auf den die Nation gewartet hatte: Tony Blair (Foto: dpa) im Zeugenstand. Nicht vor Gericht, aber vor einem Untersuchungsausschuss. Sechs Stunden mit Fragen bombardiert. Zum Einmarsch der Briten im Irak, zur Waffenbruderschaft mit US-Präsident George W. Bush und zum Märchen irakischer Massenvernichtungswaffen

London. Es war der Auftritt, auf den die Nation gewartet hatte: Tony Blair (Foto: dpa) im Zeugenstand. Nicht vor Gericht, aber vor einem Untersuchungsausschuss. Sechs Stunden mit Fragen bombardiert. Zum Einmarsch der Briten im Irak, zur Waffenbruderschaft mit US-Präsident George W. Bush und zum Märchen irakischer Massenvernichtungswaffen. Selten wurde ein früherer Regierungschef so in die Zange genommen. Der geübte Redner kämpfte um seinen Ruf - und um seine Rolle in der Geschichte.

Blair ließ keinen Zweifel: Er war als Premierminister für die Sicherheit des Landes verantwortlich. Und nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 war nichts mehr wie zuvor. Plötzlich waren Bedrohungen denkbar, die zuvor in den schlimmsten Albträumen nicht vorkamen. Und weil Saddam schon früher Chemiewaffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt hatte, schien das Risiko, das von seinem Regime ausging, nun nicht mehr kontrollierbar. Da entschied sich Blair für eine harte Linie gegen den Diktator. Er hatte keinen Zweifel, dass das "Monster" Saddam Massenvernichtungswaffen besaß. "Es war eine Entscheidung, die ich wieder treffen würde."

Das sahen die Anti-Blair-Demonstranten gestern ganz anders: Für sie gehört Blair vor ein Kriegsverbrechertribunal. Der einstige Strahlemann wurde für sie zum Buhmann, weil er 2003 ohne UN-Mandat den Befehl für die Invasion des Irak gab. Einige Demonstranten erschienen mit Blair-Masken und Handschellen und trugen einen symbolischen Sarg. Um Demonstranten und Kameras zu entgehen, war Blair durch einen Seiteneingang ins Gebäude geschlüpft. Doch während seiner Befragung entkam er den Kameras nicht. Jedes Wort, jede Geste, jede Regung wurde festgehalten. Und Blair war perfekt vorbereitet. Er erklärte, dozierte, stellte Behauptungen "richtig". Und alles trug er in einem dunkelblauen Anzug, dunkelroter Krawatte und mit einem Repertoire von Gesten vor, die so gut einstudiert waren, dass sie natürlich wirkten.

Für manche Eltern von Soldaten, die im Irak gefallen waren, war der unbeirrte Auftritt Blairs zu viel. Eine von ihnen war Rose Gentle, deren 19-jähriger Sohn Gordon 2004 im Irak getötet wurde. Die Mutter sagte über Blair: "Er hatte ein Grinsen im Gesicht, was viele Familien verärgerte." Vehement wehrte sich Blair gegen das Image von "Bushs Pudel", der seinem Herrchen überall hinfolgt - und sei es in einen Krieg. Blair bestritt, dass er sich mit dem US-Präsidenten schon elf Monate vor der Invasion heimlich auf einen Militärschlag geeinigt habe.

Nur einmal ließ Blair etwas Reue erkennen - als es um einen Fehler in einem Regierungsbericht von 2002 ging, wonach der Irak innerhalb von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen abfeuern könne. Briten und Amerikaner hatten den Einmarsch auch auf diese falsche Aussage gestützt. "Es wäre besser gewesen, das richtigzustellen, wenn man bedenkt, wie wichtig das später wurde", meinte Blair nun.

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