Kreuzberger Oberweiten

Berlin. Der Bundeswahlkampf geht allmählich in die Vollen, die CDU vorne weg. "Wir haben mehr zu bieten", steht auf dem Plakat, das jetzt im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg an Laternenpfählen hängt. Es zeigt Vera Lengsfeld, die in dem Bezirk zur Wahl steht, und die Bundeskanzlerin - beide tief dekolletiert

Berlin. Der Bundeswahlkampf geht allmählich in die Vollen, die CDU vorne weg. "Wir haben mehr zu bieten", steht auf dem Plakat, das jetzt im Berliner Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg an Laternenpfählen hängt. Es zeigt Vera Lengsfeld, die in dem Bezirk zur Wahl steht, und die Bundeskanzlerin - beide tief dekolletiert. Das Oberteil von Angela Merkel stammt von dem Foto vor zwei Jahren in Oslo, als sie zur Eröffnung der Oper ein gewagtes Abendkleid trug. Damals spottete ein britisches Massenblatt über die "weapons of mass distraction", die Massenablenkungswaffen. Das Porträtfoto von Vera Lengsfeld, einer "gelernten" DDR-Bürgerin, die seit Jahren für die CDU hier und da Politik macht, wurde für das Plakat entwickelt.

Sehr gewagt, denn Lengsfeld hat Merkel nicht vorher informiert. Sie hofft, dass die Parteikollegin Verständnis zeigt. "Das sollte eine Überraschung sein", so Lengsfeld. "Ich bin sicher, dass Frau Merkel genügend Humor hat." Nach außen hin wird sie den vermutlich aufbringen, aber was passiert hinter den Kulissen? Lengsfeld: "Ich wollte in meinem Wahlbezirk, wo die Union als Alt-Männer-Bierbauch-Partei gilt, für einen Imagewandel sorgen." Funktionäre ihrer Partei hatten ihr angeboten, sich mit der Kanzlerin händeschüttelnd ablichten zu lassen. Doch Lengsfeld glaubt: "Mit so einem normalen Plakat bekommt man hier keine Aufmerksamkeit."

Zwei Mittfünfzigerinnen zeigen, wie üppig sie sind. Das gefällt manchen und anderen ganz und gar nicht. Lengsfelds Internetseite hatte an einem Tag mehr als 2000 Zugriffe (www.vera-lengsfeld.de). Doch schärfste Kritik kommt von Linken und Feministinnen, die von Sexismus sprechen. Lengsfeld hält dagegen: "Ich wollte zeigen: Wer mich wählt, bekommt auch Merkel." CDU-Sprecher Ronald Pofalla hatte am Montag die Plakataktion seiner Partei vorgestellt und verkündet: "Nur wer Union wählt, bekommt auch Angela Merkel. Das soll den Leuten klar werden."

Die Opposition tobt vor Vergnügen, fragt aber, warum Lengsfeld anstatt auf Visionen und Inhalte einer pragmatischen Politik auf ganz handfeste Ansichten setzt. Das sei dürftig, heißt es. Die frühere Bürgerrechtlerin, die von ihrem Ehemann und dem Vater ihrer Kinder jahrelang für die Stasi bespitzelt worden war, wollte im Wahlkreis, in dem sie einen aussichtslosen Wahlkampf führt, zumindest durch Provokation auffallen. Das ist ihr gelungen. Sie sieht in dem Wahlplakat selbstbewussten Umgang mit Weiblichkeit, sie sagt, dass sie das Doppelfoto schön finde. So weit will der Berliner CDU-Generalsekretär Bernd Krömer nicht gehen. Befragt, wie er die Fleischauslage finde, antwortete er: "Über Geschmack lässt sich streiten." Andere, die nicht Mitglieder der CDU sind, werden noch deutlicher und wundern sich darüber, wie ausgerechnet eine Bürgerrechtlerin Frauen zu Sexobjekten reduzieren kann. Doch Vera Lengsfeld argumentiert sogar noch doppeldeutig: "Der Verkehr auf meiner Internetseite hat sich verdreifacht . . ."

Aber andere sind auch nicht zimperlich. Auf den Plakaten der Partei "Die Linke" streckt die Kandidatin Halina Wawzyniak dem Wahlvolk ihre in Jeans verpackte Hinterseite entgegen. "Direkt", heißt es auf dem Bild unter der blanken Hüftpartie über dem Gürtel. Und: "Mit Arsch in der Hose in den Bundestag." Die 36 Jahre alte Hobbyfußballerin hat eine durchtrainierte Figur, auf die Haut ließ sie sich das Wort "Socialist" auftragen. "Tattoo ist abwaschbar, Arsch ist meiner", wird sie forsch. Die Auftritte ihrer männlichen Kollegen dagegen, von Hans-Christian Ströbele (Grüne), Björn Böhning (SPD) und Wawzyniaks Parteichef Gregor Gysi wirken ausgesprochen dröge. Auf einem der Plakate herzen Oskar Lafontaine und Gysi die Betrachter an, Balkenunterschrift: "Reichtum für alle!" Da gähnt der Umworbene und freut sich, dass er noch die Wahl zwischen Busen und Po hat.

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