Anti-Putin-Demos Kremlkritiker Nawalny bei Protesten festgenommen

Moskau · Gestern Abend wurde der Oppositionspolitiker wieder freigelassen. Tausende demonstrierten in Russland für einen Boykott der Präsidentenwahl.

 Der russische Oppositionspolitiker Alexej  Nawalny

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny

Foto: dpa/Jean-Francois Badias

Bei landesweiten Protesten gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist der bekannte Kremlkritiker Alexej Nawalny erneut festgenommen worden. Wenige Stunden später ließ die Polizei ihn wieder frei. Er müsse sich aber zur Verfügung halten, sagte Nawalnys Anwältin Olga Michailowa der Agentur Tass am späten gestrigen Abend.

Bei einer nicht genehmigten Demonstration gegen die erwartete Wiederwahl Putins im März war Nawalny in Gewahrsam genommen worden. Etwa zehn Polizisten ergriffen ihn kurz nach seinem Auftauchen bei der Demo in Moskau. „Schwindler und Diebe“, rief er, bevor die Sicherheitskräfte ihn in einen Polizeibus mit getönten Fensterscheiben zerrten. Der Blogger und Jurist hat zu einem Boykott der russischen Präsidentschaftswahl am 18. März aufgerufen. Es wird erwartet, dass Putin wiedergewählt wird und dann bis zum Jahr 2024 weiter an der Staatsspitze steht.

Nawalny wollte Putin bei der kommenden Wahl herausfordern, die Wahlkommission schloss ihn aber wegen einer Verurteilung zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe wegen Unterschlagung aus. Der Oppositionspolitiker bestreitet die ins Jahr 2009 zurückreichenden Vorwürfe und spricht von einem politisch motivierten Urteil.

Nawalnys Aufruf folgend demonstrierten landesweit tausende Menschen. Die Proteste begannen im Osten Russlands. In der Stadt Jakutsk im Nordosten Sibiriens gingen Demonstranten trotz Temperaturen von minus 45 Grad Celsius auf die Straße. Insgesamt wurden landesweit mindestens 250 Menschen festgenommen, berichtete die unabhängige Bürgerrechtsorganisation OVD-Info. In Moskau und St. Petersburg wurden die Demonstrationen nicht genehmigt, trotzdem versammelten sich tausende Menschen auf den Straßen und riefen Parolen wie „Putin ist ein Dieb“. Am Nachmittag löste sich die Demonstration in Moskau größtenteils auf.

Gestern Morgen war die Polizei in Nawalnys Moskauer Büro eingedrungen. Seine Mitarbeiter berichteten, die Sicherheitskräfte hätten sich mit einer Säge Zugang verschafft. Die Polizei habe die Live-Berichterstattung über die Proteste im Osten des Landes unterbrechen wollen. Es seien auch mehrere Mitarbeiter von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung inhaftiert worden, teilte Nawalnys Team mit.

„Euer Leben steht auf dem Spiel“, hatte Nawalny in einer Videobotschaft an seine Anhänger gesagt. „Wie viel länger wollt Ihr mit diesen Dieben, Fanatikern und Perverslingen an der Macht leben?“, fragte er. „Früher oder später werden sie auch Eure Tür aufschneiden.“

Die gestrigen Proteste sollten dabei helfen, einen „Wählerstreik“ zu organisieren und die Russen im März von den Urnen fernzuhalten. Eine niedrige Wahlbeteiligung wäre ein Rückschlag für Putin, der sich ein starkes neues Mandat für die kommende Amtszeit erhofft. „Eine hohe Wahlbeteiligung ist sehr wichtig für Putin“, bestätigte der Leiter des unabhängigen Umfrageinstituts Lewada, Lew Gudkow. Er erwartet bis März jedoch eine wachsende Wahlbereitschaft. „Die Propagandamaschine ist dabei, einen Gang höher zu schalten“, sagte Gudkow.

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