Krebsfälle in Asse-Nähe alarmieren die Anwohner

Remlingen. In der Samtgemeinde Asse geht die Angst um. Seit vielen Jahrzehnten leben die Menschen hier in Sichtweite des Förderturms oberhalb des maroden Atommülllagers. Sie sind es gewohnt, mit der unterschwelligen Sorge und der unsichtbaren Bedrohung zu leben - eigentlich

Remlingen. In der Samtgemeinde Asse geht die Angst um. Seit vielen Jahrzehnten leben die Menschen hier in Sichtweite des Förderturms oberhalb des maroden Atommülllagers. Sie sind es gewohnt, mit der unterschwelligen Sorge und der unsichtbaren Bedrohung zu leben - eigentlich. Doch nun wurde bekannt, dass die Zahl der Blutkrebserkrankungen in der 10 000-Seelen-Gemeinde mehr als doppelt so hoch ist wie zu erwarten.Während die Wissenschaft noch davor warnt, die Ursache für die überdurchschnittlich hohe Zahl von Leukämiefällen und Schilddrüsenkrebs voreilig den 126 000 Atommüllfässern zuzuschreiben, haben viele Menschen hier ihren Schuldigen längst gefunden: die marode Asse. "Wenn sich wirklich bewahrheiten sollte, dass die Radioaktivität in der Asse der Grund ist, ziehen wir sofort weg", sagt Dino Kallmeyer. Der gebürtige Remlinger fühlt sich eigentlich sehr wohl in seiner Heimat. "Als Familienvater muss ich auch an meine beiden Kinder denken."

Für Klaus Neubauer aus dem wenige Kilometer entfernten Dorf Kalme sind die Krebszahlen keine Überraschung. "Mein Onkel ist genauso an Leukämie gestorben wie meine ehemalige Nachbarin in Remlingen", erzählt Neubauer. Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Auch der Sohn der Nachbarin ist an Leukämie erkrankt." Neubauer fügt hinzu: "Nach all den Jahren in der Nachbarschaft versucht man, die Asse zu vergessen, versucht einfach, nicht daran zu denken." Aber spätestens wenn er mit dem Auto an der Schachtanlage vorbeifahre, sei das mulmige Gefühl wieder da. "Als Kind habe ich im Wald um die Asse gespielt, heute würde ich mit meiner Tochter dort nicht mal spazieren gehen."

Die Asse ist allgegenwärtig. So unsichtbar die Bedrohung ist, so sichtbar ist der Protest: An vielen Häusern und Gartenzäunen prangen gelbe Holzschilder in Form des Buchstaben "A". Autos haben Aufkleber mit dem "Asse-A" auf der Heckscheibe. Das "Asse-A" ist das Symbol des Widerstands gegen das Lager. Denn im Gegensatz zum Wendland ist der Asse-Protest eher leise; zu lange ist der Atommüll Teil ihres um Normalität bemühten Alltags. Der Wolfenbütteler Landrat Jörg Röhmann (SPD) bemühte sich um Sachlichkeit: "Ein Zusammenhang zwischen den gehäuften Krebserkrankungen und der Asse-Thematik kann derzeit nicht hergeleitet werden."

Auch außerhalb der betroffenen Region sorgten die Zahlen für große Besorgnis. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) kündigte seine Unterstützung für eine "bestmögliche" Ursachenforschung an. Über alle Parteigrenzen hinweg forderten Bundes- und Landespolitiker zudem eine schnelle und Aufklärung. dpa

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