Krach bei den Linken

Berlin. Es gibt auch noch bessere Tage im Leben der Linkspartei. Gestern wurde bekannt, dass der Historiker Gerhard Besier bei der sächsischen Landtagswahl am 30. August für die Linken kandidiert. Der 61-jährige Professor war einst Chef des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung

Berlin. Es gibt auch noch bessere Tage im Leben der Linkspartei. Gestern wurde bekannt, dass der Historiker Gerhard Besier bei der sächsischen Landtagswahl am 30. August für die Linken kandidiert. Der 61-jährige Professor war einst Chef des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung. Die politischen Flügelkämpfe in der vormaligen PDS lassen sich mit solchen Botschaften allerdings kaum kaschieren.Vorläufiger Höhepunkt ist der Parteiaustritt von Ronald Weck-esser, eines sächsischen Landtagsabgeordneten, der den Linken öffentlich bescheinigt, auf "niedrigste Instinkte" zu setzen und den Marsch in eine "Sekte" anzutreten. Ähnlich auf den Punkt gebracht hatten es kürzlich der Berliner Linksparlamentarier Carl Wechselberg und die ehemalige PDS-Vize Sylvia-Yvonne Kaufmann. Beide kehrten der Partei ebenfalls den Rücken. "Ich bedaure das bei jedem Einzelnen, weil sie alle profilierte Politiker der PDS waren", sagt Linkspartei-Geschäftsführer Dietmar Bartsch. "Aber sie machen einen Riesen-Fehler." Was ist los bei den Linken? Statt von der Kapitalismus-Krise zu profitieren, die Parteichef Oskar Lafontaine schon seit Jahren an die Wand gemalt hat, ergehen sich die Genossen in wechselseitigen Anfeindungen und offenen Beschimpfungen. Dabei drohen Fundamentalisten und Sozialromantiker aus dem Westen die Oberhand zu gewinnen. Und entsprechend frustriert reagieren die zumeist ostdeutschen Pragmatiker der Partei. In einem Appell hatten sie die "offen zur Schau gestellte Freude" über den Parteiaustritt von Kaufmann & Co beklagt. Zu den speziellen Adressaten gehörte der europapolitische Sprecher der Linken, Dieter Dehm, der Kaufmanns Entschluss "als längst überfälligen Schritt" charakterisierte. Stein des Anstoßes war Kaufmanns Unterstützung für den Lissabon-Vertrag der EU, gegen den die Linke beim Bundesverfassungsgericht in Karlruhe klagt. Dehm war es auch, der dem prominenten Berliner Partei-Realo Stefan Liebich "Zweifel" an dessen "Weitsicht und Loyalität" bescheinigte.Die Parteiführung sieht diesem Treiben praktisch tatenlos zu. Er sei sehr für politische Zuspitzung, sagt Bartsch, aber gegen jeden "Verbalradikalismus". Nur so ließen sich "die Sorgen der Menschen ernst nehmen". Genau daran wachsen nun die Zweifel. In der Euphorie zahlreicher Wahlerfolge schienen sich die Linken schon auf einen stabilen Wählerzuspruch im zweistelligen Bereich einzurichten. Doch der steht jetzt wieder in Frage. Die bundesweiten Umfragen pendeln zwischen acht und zehn Prozent. Wahr ist auch, dass die ehemalige Ostpartei PDS von solchen Resultaten nur träumen konnte. Erst durch die Verschmelzung mit der westdeutschen WASG und den Frontmann Oskar Lafontaine ging es auch in den alten Bundesländern bergauf. Mit Lafontaine ist die Partei allerdings auch in eine Radikalität verfallen, die vor allem ostdeutschen Linken sauer aufstößt. Bestes Beispiel ist der Entwurf für das Bundestagswahlprogramm. Darin verspricht die Linke 2,5 Millionen neue Jobs, einen Mindestlohn von zehn Euro und einen Hartz-IV-Regelsatz von 500 Euro. "Mit so einem platten Populismus kriegt man vielleicht zehn Prozent hinter sich, in Ost und West. Aber im Osten muss die Linkspartei die bisherigen 25 bis 30 Prozent verteidigen", analysiert Ronald Weckesser. Mittlerweile gehe es nicht mehr darum, was realistisch sei. "Wichtig ist, dass wir andere in Zugzwang bringen", kritisiert der Ex-Linke. Auch sein Urteil über den einstigen Sozialdemokraten Lafontaine fällt wenig schmeichelhaft aus: "Es ist desaströs, wie dieser rachsüchtige Egomane seine Privatfehde mit der SPD ausficht, eine reale Partei ruiniert, nur um im Westen der SPD zu zeigen, wo der Hammer hängt".

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